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Waechter des Labyrinths

Waechter des Labyrinths

Titel: Waechter des Labyrinths Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Adams
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den Kragen seines Trenchcoats hoch. «Und?», fragte er.
    «Sie holen gerade die Zimmerschlüssel», sagte Edouard. Michail nickte, beugte sich in den Wagen und nahm seine Flinte heraus. Er knickte sie in der Mitte um, schob zwei Patronen in die Läufe und ließ sie wieder zuschnappen. «Was soll das denn, verdammt?», wollte Edouard wissen.
    «Ihr Freund Knox hat heute einen Mann umgebracht, um an mein Vlies zu kommen», sagte Michail. «Glauben Sie, er wird es einfach so rausrücken?»
    «Aber hier sind überall Leute …»
    «Und?» Michail versteckte die Flinte unter seinem Trenchcoat. Gerade als Knox und Gaille ihren Schlüssel nahmen und sich zum Fahrstuhl wandten, öffneten sich die automatischen Glastüren, und Michail trat in die Hotelhalle.

II
    Kiko erwachte voller Panik. Draußen vor seinem Fenster schlugen Flügel und flackerten Lichter, ein Getöse, bei dem er an Dämonen mit Krallen und scharfen Zähnen denken musste. Sein Herz hämmerte wie verrückt. Doch dann erkannte er, was es war: Ein Hubschrauber. Er war bereits am frühen Abend gelandet, um weitere Gäste der Nergadses abzuladen, und nun brachte er sie anscheinend wieder zurück nach Hause. Seine Angst ließ nach, aber er hatte so geschwitzt, dass seine Matratze ganz feucht war. Er fröstelte, während er dalag und sich zum hundertsten Mal fragte, was an diesem furchtbaren Ort vor sich ging, wo sein Vater steckte und warum er es zuließ, dass sie hier sein mussten.
    Gerade als er wieder eindöste, hörte er draußen Schritte. Vor seinem Zimmer verstummte das Geräusch plötzlich. Kiko verkrampfte sich und starrte wie versteinert auf den Lichtstreifen, der unter der Tür hindurchschimmerte. Inständig betete er, dass es nur Einbildung war. Doch dann hörte er den quietschenden Türgriff. Er hielt die Luft an, als die Tür leise auf- und wieder zuging. «Mama?», fragte er. Sein Herz klopfte wie wild. «Bist du das?»
    «Ich habe dich geweckt», brummte ein Mann. «Das wollte ich nicht.» Ein Feuerzeug ging an, eine blau-gelbe Flamme züngelte auf und entzündete eine dicke gelbe Kerze, die erst flackerte und dann hell genug brannte, um einen dünnen, großen alten Mann in einem blauen Pyjama und einem roten Schlafrock erkennen zu lassen. Ilja Nergadse.
    «Was machen Sie hier?», fragte Kiko.
    Ilja lächelte, um Kiko zu beruhigen, aber dem Jungen machte das nur noch mehr Angst. «Erinnerst du dich an mich, Kiko? Du hast letztes Jahr in Tiflis mit mir zu Mittag gegessen. Du bist in meinem Pool geschwommen. Du warst sehr gut.» Das Licht der Kerze erzeugte eine seltsame Intimität, als er näher kam. «Das hier ist mein anderes Zuhause. Das Schloss und das ganze Land, so weit deine Augen sehen können. Gefällt es dir?»
    «Schon.»
    Gelbe Zähne blitzten auf; vielleicht lächelte er. «Du scheinst dir nicht so sicher zu sein.»
    «Ich will zu meinem Vater», sagte Kiko. «Ich will nach Hause.»
    Der alte Mann trat an das Bett. «Mein Gott», sagte er, als er sah, dass Kikos Stirn schweißnass war. «Hast du einen Albtraum gehabt?» Er stellte die Kerze auf den Nachttisch, zog ein Taschentuch aus seinem Ärmel und tupfte Kiko die Stirn ab.
    «Du darfst nicht in feuchten Decken schlafen», sagte Ilja. «Sonst holst du dir eine schlimme Erkältung.»
    «Mir geht’s gut.»
    «Rück wenigstens auf die trockene Seite. Das Bett ist groß genug. Und deine Mutter würde es mir nie verzeihen, wenn du krank wirst.» Er schaute gütig zu, wie Kiko auf die andere Seite rutschte, setzte sich dann in die sanfte Mulde, die der Junge in der Matratze hinterlassen hatte, und legte sich schließlich neben ihn, wobei er Kiko bis zum Hals zudeckte. Irgendwie war Iljas Haar schwarz und glänzend wie Schuhcreme geworden, seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte, bemerkte Kiko. Dadurch wurde alles nur noch unwirklicher für ihn.
    Ilja faltete sein Taschentuch zusammen und tupfte Kiko erneut die Stirn ab. Dabei öffnete sich sein Schlafrock, der Seidenpyjama darunter war hochgerutscht, sodass man Iljas silbrige Locken und faltige Haut sehen konnte. «Herrje», sagte Ilja, zupfte den Pyjama zurecht und knotete den Schlafrock wieder zu. «So geht es ja nicht.» Er lächelte Kiko an. «Reitest du gerne?», fragte er.
    «Weiß ich nicht», erwiderte Kiko unglücklich. «Ich habe es nie ausprobiert.»
    «Du hast es nicht ausprobiert?», meinte Ilja mit gespieltem Erstaunen. Sein Atem roch nach Alkohol, außerdem kitzelte er Kikos Wange. «Das müssen wir aber ändern, oder?

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