Waechter des Labyrinths
es in einer Tasche zum Flughafen gebracht. Ich wette um jeden Preis, dass sie es dort versteckt haben. Und er wird es bestimmt nicht vor seinem Vortrag holen, erst recht nicht, solange er noch als Verdächtiger gilt.»
«Und wenn es etwas mit seinem Vortrag zu tun hat?», fragte Michail. «Wenn er mein Vlies bei dieser Konferenz vorführen will? Was dann?»
«Dann müsste er verrückt sein», erwiderte Edouard. «Jeder weiß, dass er nur durch den Mord an Petitier in seinen Besitz gelangt sein kann.»
Einen Moment dachten sie schweigend darüber nach. «Wo er recht hat, hat er recht, Chef», brummte Boris.
«Und das ist nicht einmal das Entscheidende», fuhr Edouard schnell fort, um seinen Vorteil auszunutzen. «Das Entscheidende ist, dass wir genau wissen, wo er morgen sein wird. Wir können warten, bis er fertig ist, und ihn danach schnappen und mit ihm machen, was wir wollen. Dann wird auch niemand mehr merken, dass er verschwunden ist.»
Mit einer tiefen Falte auf der Stirn ließ sich Michail die Einwände durch den Kopf gehen. Dann hellte sich seine Miene auf. «Ja», sagte er, als wäre er selbst darauf gekommen. «Wir warten, bis er seinen Vortrag gehalten hat. Schließlich wissen wir genau, wo er sein wird.»
«Ja, Chef», meinte Zaal nickend. «Gute Idee.»
Sie gingen zurück zum Fahrstuhl. Edouard tropfte der Schweiß von den Achseln. Die Katastrophe war abgewendet, zumindest für heute. Aber was sollte er morgen tun?
III
Knox fiel es nicht leicht, sich auf Augustins Vortrag zu konzentrieren. Gaille machte sich gerade für die Nacht fertig und hatte die Badezimmertür offen gelassen. Als wäre sie sich seiner Aufmerksamkeit vollkommen bewusst, drehte sie sich um und drohte ihm mit der Zahnbürste. «Wie oft muss ich dich noch bitten, meine Zahnpastatube wieder zuzumachen?», fragte sie ihn. «Jetzt ist sie hart geworden. Und du weißt, wie sehr ich es hasse, wenn die Zahnpasta hart ist.»
«Ja», meinte er lächelnd. «Ich weiß, wie sehr du es hasst, wenn die Zahnpasta hart ist.»
Sie zog eine Grimasse und schnippte mit ihrer Zahnbürste Zahnpastareste in seine Richtung, ehe sie sich wieder zum Waschbecken umdrehte. Er beobachtete sie liebevoll. Wie immer trug sie ein altes T-Shirt von ihm, das ihm schon zu weit war, ihr aber wie ein Kleid fast bis zu den Knien reichte und eigentlich recht sittsam saß, außer wenn sie sich nach vorn beugte, um ihn mit Zahnpasta zu bespritzen. Die Zähne putzte sie sich wie üblich mit einer schwungvollen Energie, spülte danach gründlich den Mund aus und säuberte die Zahnbürste unter dem Wasserhahn. Als sie den Verschluss der Zahnpastatube zudrehte, wandte sie sich extra zu ihm um, dann stellte sie Tube und Bürste gewissenhaft wie ein Schulmädchen in den Zahnputzbecher. Schließlich begann sie, ihr Haar zu bürsten, zwanzigmal mit der rechten Hand und zwanzigmal mit der linken. Es war jeden Abend das gleiche Ritual. In den letzten Monaten hatte Knox sich so sehr daran gewöhnt, dass er es kaum noch wahrnahm. Doch wenn es ihm wie an diesem Abend manchmal wieder auffiel, machte es ihn unendlich glücklich.
«Komm ins Bett», sagte er.
«Gleich.»
Bevor sie ein Liebespaar geworden waren, waren sie Freunde und Kollegen gewesen, was immer ein schwieriger Übergang ist – jedenfalls wenn er nicht mit reichlich Alkohol befördert wird. Während der Sache mit Echnaton war Knox zu der Überzeugung gelangt, dass er etwas tun musste. Damals wäre sie beinahe gestorben, und ihm war klargeworden, wie viel sie ihm bedeutete. Eigentlich hatte er vorgehabt, es vorsichtig anzugehen, zum Beispiel bei einem romantischen Abendessen, wo er sich dem Thema langsam nähern konnte, wo man ein paar beschwipste Scherze und flirtende Blicke wechselte, um die Reaktion einzuschätzen und sich eine Rückzugsmöglichkeit offen zu halten. Doch dann war alles ganz anders gekommen. Die Medien hatten so lange um ein Interview mit ihnen gebuhlt, bis Yusuf Abbas, der Generalsekretär der ägyptischen Antiquitätenbehörde, schließlich nachgegeben hatte. An dem Morgen, als Gaille aus dem Krankenhaus entlassen worden war, hatte er eine Pressekonferenz im Vortragssaal der Klinik arrangiert. Gaille und Knox hatten Seite an Seite gesessen und waren den Fragen gemäß Yusufs Anweisungen so gut wie möglich ausgewichen. Schließlich war den Journalisten nichts anderes übriggeblieben, als im Dunkeln zu fischen.
«Und sonst?», hatte ein Franzose mit zotteligem rotem Ziegenbart und geflochtenem
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