Waechter des Labyrinths
kenne mich überhaupt nicht auf Kreta aus», protestierte sie. «Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen soll.»
«Die britische Schule führt in Knossos ein großes Projekt durch», sagte Knox. «Villa Ariadne, wo Sir Arthur Evans gelebt hat, als er Ausgrabungen auf Kreta gemacht hat. Einer der Archäologen dort heißt Iain Parkes. Er war mit mir in Cambridge.»
«Warum fragst du dann nicht ihn, ob er etwas über Petitier herausfinden kann?»
«Ich bitte dich, Gaille. Es geht nicht nur darum herauszufinden, wo Petitier in den letzten zwanzig Jahren gelebt hat. Jemand muss hinfahren, ein bisschen herumschnüffeln und schauen, was Petitier dort gemacht hat. Das kann ich von Iain nicht verlangen. Ich habe ihn seit einer Ewigkeit nicht gesehen. Aber er würde dir bestimmt helfen.»
«Wenn du ihn seit einer Ewigkeit nicht gesehen hast, woher weißt du dann, dass er überhaupt noch dort ist?»
«Weil ich mich bei ihm gemeldet habe, als wir beschlossen, nach Athen zu kommen. Ihn gefragt habe, ob er hier wäre. Aber er hat mir gesagt, dass er sich dort um den Laden kümmern muss.»
«Ich will nicht nach Kreta», sagte sie. «Ich will bei dir bleiben.»
«Wir müssen herausfinden, was Petitier hergeführt hat», beharrte Knox. Er griff nach seinem Handy. «Pass auf, ich rufe Iain an. Und du kümmerst dich um ein Ticket.»
« Jetzt ?», fragte sie ungläubig.
«Es ist Ostern, Gaille. Wenn wir bis morgen warten, kriegst du vielleicht keinen Flug mehr, oder?»
Sie blickte ihm in die Augen, als wollte sie herausfinden, was wirklich dahintersteckte. Doch er wich ihrem Blick nicht aus, und am Ende war es sie, die wegsah. «Glaubst du wirklich, dass wir Augustin damit helfen können?», fragte sie.
«Ja, das glaube ich.»
«Na schön», meinte sie seufzend.
«Gut», sagte er. Er beugte sich zu ihr und küsste sie auf die Lippen. «Ich liebe dich», sagte er.
«Ich dich auch», erwiderte sie. Doch zum ersten Mal, seit sie ein Paar geworden waren, war er sich nicht sicher, ob sie es von ganzem Herzen meinte.
VIERZEHN
I
Vor der Balkontür schepperte es laut. Knox war sofort hellwach und richtete sich auf. Für einen Moment wusste er nicht, wo er war. Als es wieder schepperte, erkannte er das Geräusch: Unten in der Gasse leerte die Müllabfuhr die Tonnen. Sein Herzschlag beruhigte sich, er legte sich wieder hin und lauschte benommen dem munteren Geplauder. Erst nach einer Weile erinnerte er sich an die gestrigen Ereignisse. Eine Sirene heulte auf, und der Müllwagen setzte langsam zurück. Knox rollte sich auf die Seite, schaute auf seinen Reisewecker und stöhnte.
«Wie spät ist es?», murmelte Gaille.
«Zwanzig nach vier. Wir haben noch ein paar Minuten.» Er hatte recht behalten, dass es wegen des Osterwochenendes schwierig sein würde, Flugtickets zu bekommen. Gaille hatte nur die Wahl gehabt, am Morgen in aller Frühe zu fliegen oder bis Samstagnachmittag zu warten. Obwohl es ihr nicht behagte, hatte sie den frühen Flug gebucht.
Um kurz nach fünf brachen sie auf. Die Straßen waren noch leer, und sie kamen gut voran. Zuerst versuchte Gaille ein Gespräch in Gang zu bringen, doch ihr Bemühen war so offensichtlich, dass Knox das Radio anstellte, damit sie sich nicht weiter verpflichtet fühlte. Sie lehnte ihren Kopf an das Fenster und döste ein, bis er durch ein Schlagloch fuhr. Sie schreckte auf, die Augen vor lauter Müdigkeit verquollen, und fuchtelte mit den Armen, um sich abzustützen. Danach fuhr er langsamer und versuchte, allen Unebenheiten auszuweichen. Nachdem er vor dem Terminal geparkt hatte, weckte er sie sanft auf.
«Du musst nicht mit reinkommen», sagte sie ein wenig steif, als er sich ihre Tasche über die Schulter hängte. «Sonst kommst du noch zu spät zu deinem Vortrag.»
«Sei mir nicht böse», bat er.
«Ich bin dir nicht böse.»
«Doch, bist du.»
Sie biss die Zähne zusammen, offenbar darum bemüht, nichts zu sagen, was sie bereuen könnte. Doch es gelang ihr nicht. «Diese Reise ist völlig bescheuert», platzte es aus ihr heraus. «Ich habe keine Ahnung, warum du mich losschickst.»
«Ich dachte, du wärst einverstanden. Wir müssen Augustin helfen.»
«Es geht doch gar nicht um Augustin, oder? Eigentlich geht es darum, dass dir gestern Abend dieser Wichser im Fahrstuhl nicht geheuer war. Deswegen hast du dir diesen idiotischen Plan ausgedacht, um mich in Sicherheit zu bringen.»
Knox stand da und kam sich albern vor. «Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn dir etwas
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