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Waechter des Labyrinths

Waechter des Labyrinths

Titel: Waechter des Labyrinths Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Adams
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gibt nur eine Quelle für diese Geschichte», erwiderte Gaille, «und das ist Platon, der sich nicht gerade davor scheute, seine Ideen in Allegorien zu erklären. Westlich der Säulen des Herkules hat es nie eine große Insel gegeben, sonst wäre sie längst von Geologen entdeckt worden. Außerdem gab es um zehntausend vor Christus keine nennenswerten Kulturen, sonst hätte man Hinweise dafür gefunden. Und selbst wenn, hätte Athen nicht an der Zerstörung beteiligt sein können, weil die Stadt damals noch gar nicht existierte. Und ägyptische Tempel konnten nicht davon berichten, denn die haben ebenfalls noch nicht existiert. Du hast also recht. Ich bin ein bisschen skeptisch.»
    Für ein kurzes Stück war die Straße vor ihnen frei. Gaille stützte sich mit den Füßen ab, als Iain unbekümmert losraste und auf die Hupe drückte, um den Lastwagenfahrer und den Verkehr zu warnen, der entgegenkommen könnte. «Sieh es mal so», sagte er und scherte vor dem Lkw ein, kaum dass er daran vorbei war, «ich weiß, dass Atlantis riskantes Territorium ist. Diese ganzen seltsamen Theorien von einem außerirdischen Fischervolk mit absurden technischen Fähigkeiten. Aber bei Platon steht nichts von Fischern und Außerirdischen. Glaub mir, ich habe nachgeforscht. Und bei der Technik, die er beschreibt, handelt es sich nur um Bewässerungssysteme und fließendes warmes und kaltes Wasser, über das die Minoer verfügten, wie wir wissen.»
    «Aber nicht zehntausend vor Christus.»
    «Natürlich nicht. Du hast absolut recht, dass in Platons Bericht eine Menge nicht zu passen scheint.» Sie näherten sich einer Wagenkolonne, und Gaille befürchtete schon, dass Iain alle auf einmal überholen wollte, doch dann schnalzte er genervt mit der Zunge und blieb lieber dahinter. «Aber du musst bedenken, wie oft die Geschichte überliefert und weitergegeben wurde, bis sie bei Platon ankam. Zum Beispiel mussten die Ägypter die Geschichte überhaupt erst einmal festhalten. Leichter gesagt als getan. Nachrichtendienste gab es damals nicht. Die konnten nicht einfach CNN einschalten. In der ganzen antiken Welt werden verschiedene Versionen im Umlauf gewesen sein, aus denen sich irgendein armer Kerl einen Reim machen musste. Und sobald die Geschichte festgehalten war, mussten sie diesen Bericht sicher in ihren Tempelarchiven aufbewahren, obwohl dieser Tempel und der größte Teil des nördlichen Ägypten für die meiste Zeit der minoischen Ära unter fremder Herrschaft stand. Und du wirst besser als jeder andere wissen, dass die Ägypter mit ihrer Berichterstattung nicht annähernd so akribisch waren, wie man heute gern glaubt. Sie waren genauso faul, betrügerisch, propagandistisch und anfällig für Naturkatastrophen wie jede andere Kultur. Dann muss es einen ägyptischen Hohepriester gegeben haben, der die Geschichte in seinen Tempelarchiven gefunden und dem Griechen Solon erzählt hat. Man muss nicht viel Phantasie haben, um sich vorzustellen, dass in der Übersetzung etwas durcheinandergeraten sein könnte. Danach ging Solon wieder nach Hause und erzählte die Geschichte seinem Enkel, der sie später seinem Enkel erzählt hat, der sie wiederum Sokrates erzählt hat, bevor Platon sie niederschrieb. Wie viele Menschen haben sie bis dahin weitergegeben? Wie kannst du da erwarten, dass Platons Erzählung den Untergang des minoischen Reiches mit peinlicher Genauigkeit wiedergibt?»
    «Ich erwarte gar nichts», entgegnete Gaille ruhig.
    «Nimm doch zum Beispiel mal diese Sache mit den Daten. Platon sagte, dass Atlantis neuntausend Jahre vor Solons Zeit zerstört wurde. Das minoische Reich brach neunhundert Jahre vor Solons Zeit zusammen. Ist es nicht möglich, dass jemand einfach ein Symbol falsch interpretiert hat?»
    «Und was ist damit, dass Atlantis westlich der Säulen des Herkules gelegen sein soll? Oder dass es größer als Afrika war?»
    «Damals glaubten einige Leute, dass Herkules seine Säulen am Hellespont errichtet hat und nicht an der Straße von Gibraltar. Kreta liegt westlich vom Hellespont. Und du hast recht, der ägyptische Hohepriester hat Atlantis tatsächlich als größer beschrieben als Afrika, aber er fuhr dann fort, dass es die Hauptinsel eines Archipels war, der von einem Bündnis aus Königen regiert wurde. Platon beschreibt diese Hauptinsel als ein zerklüftetes Rechteck, sechshundert Kilometer lang und dreihundert breit. Das ist lange nicht so groß wie Afrika, kommt der Größe von Kreta aber ziemlich nahe. Nicht die

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