Wächter des Mythos (German Edition)
verächtliches Lächeln umspielte die Lippen des Kardinals. Die Nachricht heiterte ihn etwas auf, obwohl ihm immer noch ein schwerer Stein im Magen lag.
»Sie stehen also in enger Beziehung zueinander, diese kleine Hure, die ihm bei den Recherchen für seine schmutzigen Ketzerartikel geholfen hat ...«, zischte er ins Telefon.
»Wie eng die Beziehung war, kann ich nicht beurteilen. Doch sie könnte eine Sünderin so wie Maria Magdalena sein. Von einem der Mitarbeiter der Zeitung, für die Dr. Bernard schrieb, haben wir eben erfahren, dass sich Alina Chanloy zurzeit in einem buddhistischen Tempel in Thailand aufhält.«
» Ach , auch noch in einem Heidentempel in Thailand! Hält sie sich dort etwa versteckt?«
»Vielleicht, vermutlich hat sie irgendwelche Informationen von Dr. Bernard erhalten, über die wir nichts wissen«, antwortete der Vikar vorsichtig, »soll ich sie beobachten lassen?«
»Wissen Sie denn, in welchem Tempel sich die Hure befindet?«
»Ja.«
»Am liebsten würde ich das Problem ganz aus der Welt schaffen, doch es wird von uns ein diplomatisches Vorgehen erwartet. Uns sitzt dieser Monsignore Sandino de Vegio im Nacken, was schlagen Sie vor?«
»Tja ... äh ... Was halten Eure Exzellenz davon, wenn wir diesen Monsignore Sandino de Vegio in unsere Angelegenheit mit einbeziehen? Wir könnten ihn doch bitten, sich um diese Alina und Herrn Gabriel Diaz zu kümmern«, sagte der Vikar vorsichtig und hielt den Hörer auf Distanz.
»Wissen Sie, was Sie da sagen!«, schnaubte der Kardinal zornig ins Telefon. »Wollen Sie die ganze Wahrheit über diesen Monsignore Sandino de Vegio wissen? Dass Ihr lieber Kollege Sandino damit betraut ist, die schmutzige Wäsche der wichtigsten Mitglieder der Kirche zu waschen, dass wissen Sie ja bereits. Doch seit Jahren kommt er allem in die Quere, was dem Ansehen des Vatikans in der Öffentlichkeit auch nur im Entferntesten schaden könnte. Er wird uns Steine in den Weg legen, so viele er kann.«
»Eben, daher meine ich ja auch, dass wir ihn beschäftigen sollten. Wir können Erzbischof Monsignore Sandino de Vegio bitten, uns bei der Suche nach diesem Diaz behilflich zu sein. Wenn er ihn findet, könnte er zumindest die Aktivitäten des Mannes überwachen.«
»Verstehe, das lässt sich machen«, sagte der Kardinal nach längerem Schweigen. »Schließlich dürfen wir die Kontrolle über ihn nicht verlieren. Melden Sie sich, so Gott will, wenn Sie etwas Neues in Erfahrung gebracht haben.«
»Jawohl, Eure Eminenz.« Vikar Dario entspannte sich und legte auf.
Der Kardinal griff erneut zum Hörer und wählte eine Nummer im Ausland. Zum Glück war der Apostolische Nuntius der Vatikanischen Botschaft in Bangkok sein Freund. Er würde ihm helfen, das Problem »Alina« zu lösen, indem er ein paar von diesen herumlungernden Heiden anheuerte. Sobald die kleine Hure den Tempel verließ, sollten ihr die Barbaren folgen, um sie in einem geeigneten Moment zu liquidieren. Bald wäre das Problem der Hure Alina für immer erledigt.
* * *
In aller Frühe hämmerte jemand wie wild an Gabriels Tür und holte ihn aus seinem wohlverdienten Schlaf. Mühsam raffte er sich vom Boden hoch, wobei ihm seine Schmerzen im Rücken bewusst wurden, und ging zur Tür.
»Bist du endlich aufgestanden? Ich bin schon seit halb fünf auf den Beinen«, plapperte der junge Mann von gestern Abend. »Hätte schon um vier Uhr aufstehen und anfangen müssen zu meditieren. Bin gestern aber erst um halb elf ins Bett und zwischendurch aufgewacht, weil das Bett so hart ist. Muss ja auf dem Boden schlafen, Tag und Nacht im weißen Kostüm herumrennen und den Geist festhalten, mich stresst hier so ziemlich alles an. Um sechs Uhr gibt’s Frühstück und um elf Uhr Mittag, danach gibt’s nix mehr zu kauen. Da muss man sich schon zeitig bei Kräften halten. Ich hab’ mir schon gedacht, du könntest verschlafen, so müde wie du gestern Abend ausgesehen hast …«
»Danke, dass du mich geweckt hast, aber von jetzt an lässt du mich in Ruhe, ist das klar …?« Er schlug der Nervensäge die Tür vor der Nase zu und ging ins Badezimmer, um sich zu duschen.
Alina aß langsam und bedächtig. Einige Nonnen und Novizen waren schon fertig und aufgestanden, um den Saal zu verlassen. Gabriel wartete geduldig, bis sie fertig gegessen hatte. Dann stand er auf, holte die Zeitung mit dem Artikel hervor und trat zu ihr an den Tisch. Sie warf ihm einen abweisenden Blick zu, doch er ließ sich nicht
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