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Wächter des Mythos (German Edition)

Wächter des Mythos (German Edition)

Titel: Wächter des Mythos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Saurer
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Marien-Mutter-Kult in den Kirchen eine enorme Bedeutung hatte. Auch heute noch kann dieser Kult als eine klare Metapher für das verlorene weibliche Ur-Prinzip in einer männlich dominierten Hierarchie der heiligen römisch-katholischen Kirche betrachtet werden . ‹ «
    »Mit anderen Worten: Hinter dem Marien-Mutter-Kult verbirgt sich ein heidnischer Fruchtbarkeits-Kult!«
    Alina warf Gabriel über ihre Brille hinweg einen missbilligenden Blick zu. »Das ist mal wieder typisch Mann. Sobald es in religiösen Sachen um die Frau geht, wird es ihm zu bunt. Die Schöpfungskraft liegt jedenfalls bei der Frau und nicht bei Adams Rippe! Also, darf ich weiterlesen, was mein Vater dazu schreibt?
    ›Besonders eindrücklich lässt sich der heidnische Ursprung dieses Göttermutter-Gedankens am Beispiel der mystischen Schwarzen Madonnen aufzeigen‹ …«
    »Wenn Gott weiblich ist, dann ist das Paradies die Gebärmutter und der Garten Eden die Plazenta«, machte sich Gabriel ächzend Luft. »Ich wusste gar nicht, dass diese Templer sich überhaupt für Frauen interessiert haben. Sie mussten doch ein Ordensgelübde ablegen: Armut, Keuschheit und so weiter, oder?«
    Alina drehte sich entnervt zu Gabriel um. »Du hörst dich an wie die Schlange, deretwegen der Mensch aus dem Paradies vertrieben worden ist. Vielleicht war den Templern die weibliche Form von Gott einfach lieber.«
    »Wieso? Und wo sind denn all die christlichen Aspekte an ihrem Gralsglauben!«
    »Weshalb interessieren dich auf einmal die christlichen Aspekte? Aber wenn sie für dich so wichtig sind! Bitte: Die Templer versuchten, ein irdisches Gottesreich durch entsprechende Bauten und Lebensführung zu erschaffen, was ich persönlich bewundernswert finde und für einen Ausdruck ihrer christlichen Gesinnung halte. Vor allem den Aspekt, an der spirituellen, geistigen und sozialen Weiterentwicklung der Menschheit zu arbeiten, finde ich mehr als nur christlich.«
    »Na ja, dieser Aspekt ist wohl wirklich revolutionär«, gab Gabriel klein bei. »Doch ich dachte, die Templer waren Erzchristen, die für den wahren Glauben kämpften. Dein Vater beschreibt sie so, als interessierten sie sich nur für die Große Mutter , deren vielfältige Erscheinungsform sich quer durch die Jahrtausende zieht. Isis, Ceres, Astarte, Anath oder Maria, allesamt versinnbildlichen sie die Große Mutter …«
    »… bei der sie Schutz und Geborgenheit suchten!«, unterbrach ihn Alina. »Na und? Ist es denn so fürchterlich, dass dieser sogenannte Fruchtbarkeitskult im christlichen Glauben als Marienkult aufgefrischt wurde? Mal Spaß beiseite! Was ist denn falsch daran, eine natürliche Grundwahrheit zu verehren? Die weibliche Gebär- und Schöpferkraft kann ja heutzutage wohl niemand mehr leugnen.
    Ich glaube, die Templer waren eben spirituelle Menschen, die von logischen Konzepten ausgingen und daher eben eine Wahrheit dem biblischen Märchen von der männlichen Rippe vorzogen. Sie lehnten das Christentum ja nicht generell ab, sondern hatten einfach eine etwas andere Auffassung. Zufrieden? Können wir nun wieder auf den Artikel meines Vaters zurückkommen?«
    Gabriel nickte und fuhr sich etwas hilflos mit der Hand über den Kopf. Alina rückte ihre Brille zurecht und fuhr dann mit dem Lesen fort.
    » ›Denn als die Römer in der Zeit des zweiten Punischen Krieges die Sibyllinischen Bücher befragten, fanden sie den Schicksalsspruch, dass ihnen die Mutter fehle. Durch Auskunft des delphischen Orakels verstanden die Römer, dass damit die Götter-Mutter Phrygiens gemeint war. Im Jahre 204/205 v. Chr. wurde sie in Gestalt eines faustgroßen Meteoriten feierlich von Pessinus nach Rom gebracht und dort zur schwarzgesichtigen Silberstatue mit Namen Magna Mater vervollkommnet.
    Auf diesem Wege hat sich die phrygische Kybele im Laufe der Jahrhunderte über die römische Magna Mater zur christlichen schwarzgesichtigen Madonna entwickelt. Ihnen gemeinsam ist das weibliche Prinzip der Leben spendenden Urkraft, die in römischen, keltischen, germanischen und vielen anderen antiken Kulturen verehrt wurde. In bestimmten Kulturen wurde dieses Leben spendende Prinzip durch die heilige Hochzeit zwischen Himmel und Erde, dem Männlichen und Weiblichen, dem Sterblichen und Ewigen zelebriert.
    Dabei überreichte dann die Frau, als Vertreterin des Göttlich-Ewigen, ihrem auserwählten Mann, dem Sterblich-Männlichen, einen Kelch mit Wein, der das Blut des Seins symbolisierte. Diese Zeremonie war die Vorbereitung

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