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Wächter

Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke
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Lyla Neal. Herzlich willkommen in Cyclops.«
    Myra hielt sich an einer Verstrebung fest und schüttelte ihr die Hand.
    Lyla war vielleicht fünfundzwanzig und hatte tiefschwarze Haut und einen dichten Haarschopf, mit dem perlweiße Zähne kontrastierten. Im Gegensatz zu Juri und Alexej und wie Myra trug sie eine Identifikations-Tätowierung auf der Pfirsichhaut der rechten Wange.
    »Sie kennen Alexej wohl«, sagte Myra.
    »Ich habe ihn durch seinen Vater kennengelernt. Ich bin eine Studentin von Professor Carel. Ich bin hier - zumindest offiziell -, um akademische Projekte zu verfolgen. Kosmologie. Entfernte Galaxien, Licht aus der Zeit der Entstehung des Universums und dergleichen.«
    Myra warf einen Blick auf Alexej. »Das ist also Ihre Spionagetätigkeit für die Spacer und gegen Ihren Vater.«
    »Ja, Lyla ist mein Maulwurf. Nett, nicht wahr?« Sein Ton war flach; vielleicht schwang doch ein leises Schuldgefühl unter der Flapsigkeit mit.
    Dann bestiegen sie mit ihrem Gepäck das Zubringerboot.
An Bord von Galatea wurden sie zügig durch die Nabenstruktur geleitet und in eine Art Aufzugkabine gebracht.
    »Halten Sie sich an der Reling fest«, sagte Lyla. »Und die Füße sollten in diese Richtung zeigen«, sagte sie und deutete in Gegenrichtung der Drehachse.
    Der Aufzug sackte mit einem beängstigenden Ruck ab.
    Sie hatten den Nabenkomplex schnell verlassen und schwebten plötzlich im Weltraum in einem Fahrstuhl, der als eine transparente Blase an einem Kabel hing. Je tiefer sie abstiegen, desto stärker machte sich der Zug der Zentrifugalbeschleunigung bemerkbar, bis die Füße schließlich Bodenkontakt bekamen und dieses unangenehme Gefühl der Coriolis-Drehung nachließ. Sie fielen durch eine Art Verspeichung zu den gro ßen reifenförmigen Decks des Rades. Die ganze Szenerie war von Myras Warte aus stationär, aber die Sonne kreiste langsam am Himmel, und die von den Speichen geworfenen Schatten wanderten endlos. Aber es gab keinen Boden unter diesem riesigen Jahrmarkt-Karussell - keinen Boden außer den Sternen.
    »Ich möchte Ihnen etwas zeigen, bevor wir weitergehen - Aufzug, Pause«, sagte Lyla.
    Der Fahrstuhl blieb stehen.
    »Diese Ansicht dürfen Sie sich nicht entgehen lassen«, sagte Lyla. »Sie vermittelt Ihnen einen Gesamteindruck von der Station. Von innen sieht man das längst nicht so gut. Aufzug. Zeig uns Polyphem.«
    Myra schaute nach draußen. Sie sah langsam kreisende Sterne, und das Weltall wurde zu einem Feuerrad. Und dann leuchtete ein goldenes Oval im Fenster auf, wanderte langsam gegen die Drehrichtung aufwärts und fokussierte sich auf einen Ausschnitt des Sternenfeldes. Dort machte Myra eine trübe, neblig-graue Scheibe aus, über deren Oberfläche Regenbogen hinwegzogen. Und dahinter hing eine kleinere Station, eine Ansammlung von Instrumenten.
    »Das «, sagte Lyla, »ist ein Fernrohr. Eine große rotierende, zerbrechliche Fresnel-Linse. Sie durchmisst fast hundert Meter.«
    »War der Sonnensturm-Schild denn nicht auch eine Fresnel-Linse?«, fragte Myra.
    »War er …«
    Dann war das also ein weiterer technischer Nachkomme des gewaltigen Schildes, der einmal die Erde geschützt hatte.
    »Dieser Kamerad heißt Polyphem«, sagte Lyla. »Benannt nach dem gleichnamigen Zyklopen, dem berühmtesten der einäugigen Riesen aus der Mythologie. Und Galatea war der Name der Nereide, die nach einer Version der Geschichte seine Geliebte war. Polyphem ist das älteste, aber zugleich auch das beeindruckendste Instrument, das wir hier haben.«
    Juri, selbst ein Technik-Freak, war fasziniert und löcherte Lyla und Alexej mit Fragen.
    Das Teleskop bestand aus großen Spiegeln, weil die leichter zu fertigen waren als gleich große Linsen; dennoch wurden wegen der besseren optischen Toleranzen vorzugsweise Linsen für den Bau sehr großer Teleskope verwendet. Weil von einem Spiegel gebündelte Lichtstrahlen eine längere Strecke zurücklegen, neigte ein Spiegel im Gegensatz zu einer Linse eher zu Verzerrungen. Eine Fresnel-Linse war ein »konstruktiver Kompromiss«: eine Anordnung aus vielen kleinen Linsen, die wie Intarsien in einen Rahmen eingesetzt und dann in Rotation versetzt wurden, um die Stabilität des Instruments zu gewährleisten. Lyla sagte, die Sub-Linsen am Rand der Struktur seien so dünn, dass sie wie Papier zusammengerollt werden könnten. Es gab zwar auch Komplikationen mit Fresnel-Linsen, deren größte die »chromatische Aberration« war; schließlich handelte es sich um

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