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Wächter

Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke
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wirkt der Druck des Sonnenlichts der Bewegung entgegen , die Orbitalgeschwindigkeit fällt und ich falle auf einer spiralförmigen Bahn Richtung Sonne …«
    Bisesa studierte die Diagramme, die er auf den Softscreens erzeugte, doch als er schließlich dazu überging, Gleichungen zu scrollen, gab sie auf.
    »Das alles ist Ihnen intuitiv bewusst, nicht wahr? Die Grundsätze der Himmelsmechanik.«
    Er wies mit einer ausladenden Geste auf die Welten um sie herum. »Hier sehen Sie den Grund. Hier sehen Sie das Wirken dieser Gesetze. Ich habe mich oft schon gefragt, wie die irdischen Wissenschaftler sich überhaupt einen Reim auf das ganze Durcheinander hier oben zu machen vermochten. Die Mondfahrer, die vor hundert Jahren als erste Menschen ins All geflogen sind, kamen verändert zurück - ob zum Besseren oder zum Schlechteren. Viele von uns Spacern sind Deisten, Theisten oder Pantheisten - irgendwo in diesem Spektrum angesiedelt.«
    »Der Glaube, dass Gott in den Gesetzen der Physik zu finden sei«, sagte Myra.
    »Oder dass Gott diese Gesetze ist .«

    »Das ist gar nicht mal so abwegig«, sagte Bisesa. »Religionen und Götter müssen nicht Hand in Hand gehen. Die Buddhisten glauben nicht unbedingt an ein höchstes Wesen; eine Religion kann auch unabhängig von einem Gott bestehen.«
    Myra nickte. »Und wir können auch an die Erstgeborenen glauben, ohne einer Religion anzuhängen.«
    »Ach, die Erstgeborenen sind keine Götter«, sagte Alexej salbungsvoll. »Was ihnen eines Tages noch bewusst werden wird.«
    »Aber Sie sind doch kein Theist. Oder, Alexej?«, fragte Bisesa. »Sie zitieren aus der Bibel, und ich habe Sie beten hören - Sol sei Dank? «
    Er wirkte verlegen. »Sie haben mich ertappt.« Er hob das Gesicht zum Sonnenlicht. »Einige von uns haben ein Faible für den ›Obersten Boss‹. Der Motor, der uns alle am Laufen hält, das einzige Objekt, das man überall im System vor Augen hat.«
    Myra nickte. »Ich habe davon gehört. Ein Kult von Sol Invictus. Einer der letzten großen heidnischen Götter des Römischen Reichs, kurz bevor das Christentum zur Staatsreligion erhoben wurde. War er auf der Erde nicht wieder aufgelebt - kurz vor dem Sonnensturm?«
    Alexej nickte. »Zürnende Götter hatten sich damals geradezu ein Stelldichein gegeben. Aber Sol Invictus war der Kult, der bei den frühen Spacern am besten ankam; besonders bei denjenigen, die am Schild gearbeitet hatten. Und er hat sich ausgebreitet.«
    Bisesa erinnerte sich an einen anderen Sonnengott, der bereits in ihr Leben getreten war: Marduk, der in Vergessenheit geratene Gott Babylons. »Ihr Spacer seid wirklich nicht so wie der Rest von uns, nicht wahr, Alexej?«, sagte sie.
    »Natürlich nicht. Wie auch?«
    »Und wollen Sie mich deshalb zum Mars bringen? Um mir eine andere Perspektive zu vermitteln?«
    »Nicht nur. Weil die Jungs da unten etwas gefunden haben. Etwas, nach dem zu suchen den Erdregierungen nicht im
Traum eingefallen wäre. Obwohl die Regierungen nach Ihnen suchen, Bisesa.«
    Bisesa runzelte die Stirn. »Woher wollen Sie das denn wissen?«
    Alexej schaute unbehaglich. »Mein Vater arbeitet für den Weltraumrat. Er ist Kosmologe …«
    So war das also, sagte Bisesa sich: die Eskalation des Generationenkonflikts in einer neuen Dimension. Ein Spacer -Sohn, der seinen irdischen Vater ausspionierte.
    Obwohl sie sich nun im tiefen Raum befanden, wollte er nicht verraten, wohin Bisesa gebracht wurde und was man überhaupt von ihr wollte.
    Myra schürzte die Lippen. »Schon komisch. Sol Invictus - er ist solch ein Kontrast zur kühlen Rationalität der Theisten.«
    »Ja. Aber finden Sie nicht, dass wir, bis wir diese Arschlöcher von Erstgeborenen geschlagen haben, einen Eisenzeit-Gott brauchen?« Und Alexej grinste und bleckte dabei die Zähne - ein frappierend primatenhafter Ausdruck unter dem Licht der Sonne und des Monds.
     
    Bisesa, die von den Anstrengungen der Reise und den fremdartigen Eindrücken ziemlich mitgenommen war, zog sich in ihre neu eingerichtete Kabine zurück. Sie verstaute ihre Habseligkeiten und schnallte sich auf der schmalen Koje fest.
    Der abgeteilte Raum war klein, aber das machte ihr nichts aus. Sie war schließlich in der Armee gewesen. Und diese Unterkunft war weitaus besser als das Lager der Vereinten Nationen in Afghanistan, wo sie vor dem Sturz auf Mir stationiert war.
    Sie sagte sich, dass dieses Wohndeck doch recht beengt war - sogar unter Berücksichtigung der grundlegenden Geometrie der

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