Wächterin der Dunkelheit: Roman (German Edition)
bezeichnet und sie nach ihrem Tod mit großer Befriedigung zerstört.
Wie sie diesen Mann hasste. Aber am meisten hasste sie sich selbst, weil sie jemandem ihr Vertrauen geschenkt und dadurch zugelassen hatte, so hinterhältig getäuscht zu werden.
Dieser Fehler würde ihr nie wieder unterlaufen.
Mit zusammengekniffenen Augen öffnete sie die Tür ein Stück weiter und musterte Alexion. Seine moderne Kleidung wirkte ein wenig deplatziert in diesem Raum, der die exakte Kopie des Zimmers war, in dem sie aufgewachsen war. Das handgeschnitzte Barockbett mit dem Baldachin aus goldfarbenem Stoff hatte sie aus Paris einfliegen lassen und mit Kissen und einer Tagesdecke aus blutroter und goldener Seide dekoriert. Sie hatte sehr viel Zeit mit der Suche nach den passenden Antiquitäten für diesen Raum verbracht.
Er war das letzte Erinnerungsstück an ihr altes Leben und in vielerlei Hinsicht eine Art Zeitkapsel. Hier glaubte sie manchmal, einen flüchtigen Blick auf ihren Vater erhaschen zu können … und das gedämpfte Lachen ihrer Geschwister zu hören.
Mon Dieu , wie sehr sie sie alle vermisste.
Eine Woge der Trauer überkam sie, doch sie kämpfte sie eilig nieder. Sie würde jetzt nicht weinen. Im Lauf der Jahrhunderte hatte sie bereits genug Tränen vergossen, um einen ganzen Ozean damit zu füllen.
Die Vergangenheit war vorbei, und dies war die Gegenwart. Tränen würden weder ihre Familie zurückbringen noch etwas ändern. Sie konnte nur versuchen, nach vorn zu sehen und dafür zu sorgen, dass sie nicht noch einmal von jemandem so arglistig getäuscht wurde.
Alexion – er war die Gegenwart. Und er war ihr Feind.
Er stand vor der kleinen Frisierkommode im neoklassizistischen Stil und hielt das Ei in seiner großen Hand, als könne er nachvollziehen, wie sehr sie ihre Sammlung liebte. Sie konnte nicht leugnen, dass sie die Behutsamkeit, mit der er das Ei wieder an seinen Platz legte, zutiefst rührte.
Er sah unglaublich gut aus, und ihr Körper reagierte mit einer Intensität auf seinen Anblick, die sie selbst erstaunte. Eigentlich sah es ihr nicht ähnlich, sich zu jemandem hingezogen zu fühlen, den sie gar nicht kannte. Von scharfen Hollywoodstars in Filmen und Zeitschriften einmal abgesehen musste sie sich üblicherweise sehr lange in der Gegenwart eines Mannes aufhalten, um dieses starke Verlangen nach seinem Körper zu empfinden. Falls es überhaupt so weit kam. Die meiste Zeit konnte sie auf Männer getrost verzichten.
Doch nun ertappte sie sich dabei, dass sie am liebsten die Hand ausgestreckt und ihn berührt hätte. Und das hatte es definitiv noch nie gegeben.
Alexion nahm ihre Gegenwart wie eine elektrisierende Berührung wahr. Es war, als trete sie mit seiner Seele in Verbindung, wann immer sie in seiner Nähe war. Was völlig ausgeschlossen war, denn er besaß seit neuntausend Jahren gar keine mehr.
Er wusste nicht, woran es lag, doch sein Körper reagierte mit einer unglaublichen Heftigkeit auf sie. Er wandte sich um und sah sie im Türrahmen stehen, wo sie ihn mit argwöhnischer, fast wütender Miene beobachtete.
Tief in seinem Innern spürte er, dass sie Angst vor ihm hatte und sich über sich selbst ärgerte, weil es ihr nicht gelang, sie zu überwinden. Doch sie bemühte sich nach Kräften, sich nichts anmerken zu lassen.
Wofür er ihr Respekt zollte.
Denn letztlich war es klug von ihr, sich vor ihm zu fürchten. Er könnte sie töten, ohne mit der Wimper zu zucken. Doch er wollte ihr nicht wehtun.
Aus unerfindlichen Gründen wollte er noch nicht einmal, dass sie ihn fürchtete, was eine völlig neue Erfahrung für ihn war. Gewöhnlich benutzte er bei seinen Ausflügen in die reale Welt die Angst, um die Dark Hunter einzuschüchtern und zur Räson zu bringen. In ihm schlummerte die Macht eines ausgewachsenen Gottes, die Fähigkeit, jederzeit einem Geschöpf das Leben zu nehmen, wenn ihm der Sinn danach stand …
Er hörte und sah Dinge, die weit über das hinausgingen, was Mensch, Apollit oder Dark Hunter sich vorstellen konnten.
Und doch hallte nur eines in seinem Kopf wider, als er in diesem Zimmer stand – ihr Lachen. Er hatte sie früher an diesem Abend schon lachen hören; bei ihrem Kampf gegen die Daimons. Es waren volle, melodiöse Laute, die förmlich über ihre Lippen zu perlen schienen. Laute, die von Herzen kamen.
Er wünschte, er könnte es noch einmal hören.
»Ich will Ihnen nichts tun, Dangereuse.«
Sie erstarrte. »Mein Name ist Danger«, gab sie zurück.
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