Wächterin der Dunkelheit: Roman (German Edition)
»Lebt Artemis überhaupt noch?«
»Allerdings. Artemis lebt und ist bester Dinge. Und sie tanzt Acheron ständig auf der Nase herum.«
Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich sofort besser – vorausgesetzt, Alexion log nicht. »Dann bedeuten wir ihr also doch etwas.«
»Nein«, widersprach er bitter. »Nur Acheron bedeutet Artemis etwas. Ihr anderen seid nur da, damit sie ihn kontrollieren kann. Deshalb erschafft sie weiterhin neue Dark Hunter und ersetzt diejenigen, die sich für die Freiheit entscheiden. Der Tag, an dem Acheron sich nicht länger um die Dark Hunter kümmert, ist der Tag, an dem Artemis sich von euch abwenden wird. Und höchstwahrscheinlich wird das euer Ende sein. Also erzählen Sie mir nicht noch einmal, Acheron schere sich keinen Pfifferling um euch. Und ihr fallt ihm jeden Tag aufs Neue in den Rücken.«
Seine Worte hallten in ihren Gedanken wider. Stimmte es etwa, was er sagte?
Sie kannte Ash, und seine Erklärung klang erheblich einleuchtender als die Vermutung, er könnte ein Daimon sein.
Andererseits klang Kyros’ Theorie ebenfalls plausibel genug, um wahr sein zu können.
Wenn sie doch nur wüsste, wem sie vertrauen konnte.
Alexion trat so dicht vor sie, dass sie seinen Atem auf ihrer Wange spüren konnte. »Sie müssen sich entscheiden, Danger. Werden Sie mir helfen, einige der Dark Hunter zu retten, oder soll ich sie alle töten und dann wieder von dannen ziehen?«
6
Stryker saß in der Bibliothek seines Hauses in Kalosis – dem atlantäischen Höllenreich – und musterte seinen Stellvertreter, der vor seinem auf Hochglanz polierten Ebenholzschreibtisch stand. Die Schreibtischplatte glänzte so sehr, dass sich das Kerzenlicht darin spiegelte und den Raum in ein unheimliches Flackern tauchte.
Traurig dachte er daran, dass sein Sohn Urian derjenige sein könnte, der in diesem Moment vor ihm stand und sich mit ihm beratschlagte.
Urian. Allein beim Gedanken an seinen einst so geliebten Sohn zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen. Sein Verlust zerfraß sein Inneres noch immer wie eine schwärende Krankheit, die durch nichts geheilt werden konnte.
Und das lag nur daran, dass Acheron sein geliebtes Kind getötet hatte. Seinen Erben. Sein Herz. Er war erfüllt von abgrundtiefem Hass und dem schier übermächtigen Bedürfnis nach Rache, das so tief saß, dass der Verrat, der die Menschen bewog, zum Dark Hunter zu werden, im Vergleich dazu geradezu lächerlich war.
Er wollte Urian zurück. Nichts vermochte die Leere zu füllen, die sein Tod in ihm hinterlassen hatte. Nichts konnte die lebhafte Erinnerung an den zutiefst gekränkten und verletzten Ausdruck in Urians Augen in jenem Augenblick vertreiben, als Stryker ihm mit dem Messer die Kehle aufgeschlitzt hatte.
Stryker biss die Zähne zusammen, als sich der Kummer ein weiteres Mal wie ein Dolch in sein Herz schnitt. Er hatte keinen sehnlicheren Wunsch, als die Uhr zurückzudrehen und diesen Moment ungeschehen zu machen.
Aber das war unmöglich, und er konnte nicht weiterleben, ohne dass Acheron denselben Schmerz durchlebt hatte. Ohne zu gewährleisten, dass Acheron seine Ewigkeit in ebenso tiefer Verbitterung und Qual zubrachte wie er. Allerdings wurde dieses Vorhaben durch den Umstand erschwert, dass Apollymi unter keinen Umständen etwas davon erfahren durfte.
Wenn man einer Göttin diente, war es schwierig, die Zeit für einen privaten Rachefeldzug zu finden, den sie aller Wahrscheinlichkeit nach missbilligen würde. Aber Stryker würde erst Ruhe finden, wenn jeder, der Acheron am Herzen lag, tot und begraben war. Für den Tod von Nick Gautier und seiner Mutter Cherise hatte er bereits gesorgt.
Es gab nur noch drei weitere Personen, die dem atlantäischen Prinzen etwas bedeuteten – sein Charonte-Dämon Simi, der im Grunde nicht getötet werden konnte. Andererseits galt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Außerdem das Menschenkind Marissa Hunter – und Alexion.
Vor einigen Monaten war es ihm in New Orleans beinahe gelungen, Marissa zu töten. Leider war sein Versuch am Ende fehlgeschlagen, und im Moment war Acheron überaus wachsam, was dieses Mädchen betraf. Doch irgendwann würde seine Wachsamkeit auch wieder nachlassen.
Und dann könnte er sich ein zweites Mal um das Mädchen kümmern.
Alexion dagegen …
Acheron dachte, seine rechte Hand könne sehr gut auf sich selbst aufpassen. Und genau diese Überheblichkeit würde ihnen beiden zum Verhängnis werden.
»Acheron, ein Daimon.« Lachend griff Trates nach
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