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Während die Welt schlief

Während die Welt schlief

Titel: Während die Welt schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Abulhawa
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meine Familie in diesem Chaos, dann verbringe ich meine restlichen Tage damit, mich Deiner Gnade würdig zu erweisen. Ich betete und betete. Wie Dalia, in einer anderen Zeit, in einem anderen Krieg.

    Die Telefonleitungen waren nach wie vor beschädigt.
    Jeden Morgen streifte ich die Spinnweben meiner nächtlichen düsteren Vorahnungen ab und taumelte durch den Tag, mit einem Ohr immer bei den Nachrichten. Ich saß am Telefon und wählte, halb verrückt vor Angst. Ariel Scharon beorderte seine Truppen in den Libanon, wegen seiner Pracht auch als »die Oase des Nahen Ostens« bekannt, und ließ Beirut belagern, zwei zermürbende Monate lang, in denen Israel den Einwohnern Wasser, Strom und medizinische Versorgung versagte.
    Mein Herz wurde metallisch, verbleit mit der Tinte der Zeitungen und dem scheppernden Ton der Nachrichtensprecher. Im Büro lief der Fernseher: »Die Hilfsorganisationen warnen vor …« Ich konnte es nicht ertragen.
    »Das Management muss das Kantinenessen verbessern«, sagte einer meiner Kollegen. Andere jammerten über die schreckliche Situation mit den Parkplätzen: »Die sind viel zu weit weg, besonders wenn es regnet.«
    Ich hatte den Kontakt zu Majid verloren und glaubte, ich würde auch den Kontakt zum Leben selbst verlieren.
    Bomben, und so viele Körper, um sie abzubekommen. Ich betete und rief beim Roten Kreuz an. Rief bei der Einwanderungsbehörde an. Bitte. Sie taten ihr Möglichstes. Nein, ich konnte nicht hinreisen. Alle Flüge waren bis auf Weiteres gestrichen. Wie kann meine Familie dann herkommen? Die BBC zeigte Hochhäuser, die wegbröckelten wie rissiger Lehm, genau wie all diejenigen, die sich in den Häusern befanden.
    »Israel schlägt gegen die PLO zurück, eine terroristische Vereinigung, deren Ziel es ist, die Juden so abzuschlachten wie die Athleten in München.« Israels angebliches Ziel war Selbstverteidigung. Die Auflösung der PLO, einer Widerstandsbewegung von sechstausend Mitgliedern.

    Bis August wurden 17 500 Zivilisten getötet, 40 000 verletzt, 400 000 verloren ihre Häuser, und 100 000 wurden obdachlos. Die Nation Libanon lag am Boden, heimgesucht und vergewaltigt, ohne Infrastruktur für Nahrung und Wasser. Israel behauptete, es sei zum Einmarsch gezwungen gewesen, um den Frieden zu erhalten. »Wir sind hier, weil wir Frieden wollen. Dies ist eine friedenssichernde Maßnahme.«
    Jahrzehnte später, während meiner Suche nach dem Schicksal, das mich vergessen hatte, wühlte ich mich durch die Berichte über den Frieden. In seinem großartigen Buch Pity the Nation: The Abduction of Lebanon beschreibt der britische Korrespondent Robert Fisk die Phosphorgeschosse der Israelis:
    Doktor Shammaa erzählte mit brüchiger Stimme eine furchtbare Geschichte. »Ich musste die Babys in wassergefüllte Eimer legen, um die Flammen zu löschen«, berichtete sie. »Als ich sie eine halbe Stunde später wieder herausnahm, brannten sie noch immer. Selbst in der Leichenhalle schwelten sie noch stundenlang vor sich hin.« Am nächsten Morgen holte Amal Shammaa die toten Babys aus der Leichenhalle, damit sie begraben werden konnten. Zu ihrem Schrecken flammten sie von Neuem auf.
    Ronald Reagan schickte Philip Habib, der einen Waffenstillstand aushandelte. Die PLO verließ den Libanon. Yussuf musste gehen oder sterben. Er entschied sich zu gehen, weil das die einzige Möglichkeit war, Fatima und die Babys nicht zu gefährden. Das behaupteten sie jedenfalls.
    Die PLO zog sich erst aus dem Libanon zurück, als Alexander Haig und der amerikanische Gesandte Philip Habib ausdrücklich garantierten, dass die Vereinigten Staaten, mit der
Autorität des Präsidenten Ronald Reagan, die wehrlosen Frauen und Kinder in den Flüchtlingslagern schützen würden. Philip Habib persönlich unterschrieb das Dokument.
    Daraufhin ging die PLO ins Exil nach Tunesien, im Gepäck das schriftliche Versprechen der Vereinigten Staaten. Das Schicksal derer, die ich liebte, hing von diesem Versprechen ab.

32
Eine Geschichte von der Ewigkeit, für immer unvollendet
    1982
    A m 10. September wachte ich angsterfüllt aus einem Albtraum auf. Die Uhr zeigte zwei Minuten nach drei, und in meinem Hinterkopf klingelte das Telefon.
    Es war Yussuf.
    Nach einem herzzerreißenden Abschied aus dem Libanon, wo Yussuf und seine Kameraden ihre Frauen, Kinder und Eltern notgedrungen hatten zurücklassen müssen, war er mit der PLO im tunesischen Exil angekommen. Die Opfer, die sie bringen mussten, waren Teil des zweifelhaften

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