Während ich schlief
Liebe, war kein bisschen wie das, was ich mit Xavier geteilt hatte. Und doch ...
Als Bren meinen Blick bemerkte, wurde ich rot und wandte mich schnell meinem Screen zu. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. Ich konnte nicht an ihn denken, ohne dass seltsame kleine Fische durch meinen Magen schwammen. Ach, verdammt!
Ganz benommen verließ ich den Unterricht und verirrte mich auch noch auf dem Weg zu Chinesisch. Die Lehrerin tadelte mich nicht, als ich fünf Minuten zu spät hereinhuschte. Vermutlich hatte Mr. Guillory auch für diesen Fall Anweisungen gegeben.
Ich verstand nicht die Bohne von dem, was sie durchnahmen. Nach etwa zwanzig Minuten piepte mein Holofon und lieferte mir einen Vorwand, der sinnlosen Vokabelwiederholung zu entfliehen. Ich sauste hinaus in den Flur.
»Ihr Hund ist organisch gesund, er hat sich nur überanstrengt«, sagte der Tierarzt. »Wir haben sein Blut auf Toxine untersucht, die Farbe scheint jedoch wenig Schadstoffe zu enthalten. Haben Sie gestern einen ausgedehnten Spaziergang mit ihm gemacht?«
»Nein ...«
»Also, unsere Untersuchungen zeigen, dass seine Muskulatur überstrapaziert wurde, er leidet an erhöhter Milchsäureproduktion. Das heißt, seine Muskeln sind total steif. In ein, zwei Tagen wird er wieder fit sein, sollte sich aber noch schonen. Sind Sie sicher, dass ihn niemand zu hart rangenommen hat?«
»Nicht dass ich wüsste«, sagte ich. Wie sollte ich ihm erklären, dass mein Hund von einem glänzenden, mechanisch redenden Kerl, der vorhatte, mich zu eliminieren, mit einem seltsamen Stock außer Gefecht gesetzt worden war?
Ich ging zurück in den Unterricht. Ich wollte nicht an den Glänzenden denken, ich kapierte fast nichts in meinen Kursen, und nun, da ich wusste, dass Zavier wieder gesund werden würde, kreisten meine Gedanken nicht mehr ständig um ihn. Weshalb sie um Bren kreisen konnten.
Ich verstand mich selbst nicht. Der einzige Junge, den ich je geliebt hatte, war Xavier, und das hatte sich ganz allmählich, über so viele Jahre und mit so vielen großen und kleinen Veränderungen entwickelt, dass ich nicht wusste, wie ich mit dieser plötzlich aufwallenden Zuneigung umgehen sollte. Sie verstörte mich, und umso mehr, da ich nicht wusste, was Bren für mich fühlte.
Was Xavier fühlte, hatte ich immer gewusst. Ich kannte ihn so lange und in allen Stimmungslagen, dass ich sein Verhalten gar nicht missverstehen konnte. Außerdem hatte er nie etwas vor mir verborgen. Er war mein bester Freund, mein Bruder, mein Liebster gewesen. Und nun war er tot, und ich trauerte
um ihn. Ich fragte mich, ob ich mich vielleicht aus dieser Trauer heraus auf Bren fixierte, oder ob es mehr war als das.
Ich dachte daran, wie er mich gerettet hatte, wie von allen Menschen auf der Welt gerade Bren über meine Stase-Röhre gestolpert war und wie er mich aufgeweckt hatte ... mit einem Kuss, wie bei Dornröschen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich es allerdings nicht für einen Kuss gehalten. Ich fragte mich, wie er das sah.
Ich entdeckte Bren, als ich aus meiner letzten Stunde kam, jetzt »Dichter der Romantik«. Mein Herz schlug schneller, und ich lief spontan zu ihm hin. »Vielen Dank für alles«, sagte ich. »Die Romantiker sind so viel besser als der Jahrhundertwendekram. Der hat mich ... ein bisschen genervt.«
Er grinste. »Ja, mein Großvater meinte auch, das würde dir besser gefallen. Er erinnert sich, die Jahrhundertwendesachen gelesen zu haben, als sie damals neu rauskamen, und dass sie ihn wenig beeindruckten. Wie fandest du Geschichte? Magst du den Wiederaufbau lieber?«
»Es ist ziemlich faszinierend. Wie haben sie es geschafft, die außerplanetarischen Kolonien beizubehalten?«
»Das hatten wir eigentlich noch nicht«, sagte Bren, »aber ich weiß, dass wir die Außenstellen auf Ganymed und Ceres aufgeben und eine geplante Kolonie auf Enceladus streichen mussten.« Er warf einen Blick über die Schulter. Nabiki und Otto standen dort und warteten offensichtlich auf ihn. »Ah, ich muss los, sonst verpasse ich den Gleiter.«
Ich seufzte. Die Stase-Chemikalien wirkten nun endgültig nicht mehr, sodass ich wieder ängstlich und schreckhaft war und mich vor dem Alleinsein fürchtete. Doch ich brachte es noch immer nicht fertig, jemandem von meiner Begegnung in der vergangenen Nacht zu erzählen, obwohl sie mich
ziemlich mitgenommen hatte. Außerdem wollte ich gern in Brens Nähe sein. »Ich könnte dich in meinem Solarskiff mitnehmen«, schlug ich vor und
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