Während ich schlief
bemühte mich, nicht so verzweifelt zu klingen, wie ich war. »Ich meine, wir wohnen ja beide in Unicorn.«
Bren zögerte, dann zuckte er mit den Achseln. »Okay.« Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Nabiki und Otto, worauf Nabiki ebenfalls mit den Achseln zuckte und auf die Gleiterhaltestelle zuging. Otto stand noch da und starrte mich an, seine gelben Augen funkelten in der Sonne.
Das verunsicherte mich.
»Habe ich Otto irgendwie beleidigt?«
Bren sah sich noch einmal nach seinem Alienfreund um und grinste. Otto lächelte sein gezwungenes Lächeln, winkte und folgte Nabiki. »Nee«, sagte Bren. »Er findet dich interessant. Aber rein rechtlich besitzt du nun mal das Patent auf ihn, was bedeutet ... na ja, er ist Mensch genug, um Menschenrechte zu genießen, aber die Sache ist kompliziert. Er befürchtet ständig, dass man ein neues Experiment versuchen könnte. Wenn du erst mal volljährig bist, liegt die Entscheidung bei dir.«
Ich fuhr empört auf. »So etwas würde ich nie tun! Hast du nicht gesagt, die meisten von ihnen sind gestorben?«
»Qualvoll«, sagte Bren. »Aber zerbrich dir nicht den Kopf deswegen. Ich glaube, er würde gern den Mut aufbringen, mit dir zu reden, aber du machst ihm Angst.«
Ich schluckte schwer. »Mache ich dir auch Angst?«
Bren sah mich nachdenklich an. Es war, als würde ein Scheinwerfer auf mich gerichtet, und auf einmal wurde ich mir meines Äußeren bewusst. Seit der Pressekonferenz war ich nicht mehr beim Friseur gewesen. Meine Kleider waren zerknittert und voller Farbflecken von Zavier. Ich hatte im Unterricht dauernd an den Nägeln gekaut, entweder aus Nervosität
oder aus Langeweile. Unter Brens Blick wurde ich zu einem pickeligen, spindeldürren Waisenkind aus einer anderen Zeit.
»Du musst schon klicken, dass du komisch bist«, sagte er endlich, und der Scheinwerfer erlosch. »Wie du redest – die Hälfte deiner Ausdrücke sind total daneben, als würde ich mit meiner Oma reden. Dann wieder machst du etwas oder sagst etwas, das irgendwie – versteh mich nicht falsch – ziemlich kindlich ist. Nimm es mir nicht übel.«
»Tu ich nicht.«
»Will sagen, du bist eben anders. Wie eine Ausländerin, aber halt doch nicht. Keine Ahnung.« Er hob nervös die Schultern. Plötzlich wollte ich ihm durchs Haar wuscheln. »Beantwortet das deine Frage?«
Ich schluckte. »Mehr oder weniger. Das Solarskiff wartet dort unten«, sagte ich unbeholfen. Er kam mit und stieg nach mir ein. »Ich muss unterwegs kurz wo anhalten. Hast du etwas gegen Hunde?«
»Nein. Ich hatte selbst einen bis letztes Jahr. Ist schließlich an Altersschwäche gestorben, der arme Jack.«
»Was war er für eine Rasse?«, fragte ich.
»Ein Retriever. Er war ein toller Fänger und holte jeden Tennisball, der vom Platz gefloppt war.«
Als ich Zavier in das Skiff brachte, begutachtete er Bren mit schräg gelegtem Kopf, bevor er seine Beine beschnupperte. »Hallo, mein Junge«, sagte Bren und kraulte kräftig Zaviers Ohren.
»Geh sanft mit ihm um«, bat ich, »er hat eine schwere Nacht hinter sich. Er hat Farbe gefressen.«
»So, Farbe hast du genascht?«, fragte Bren mit tiefer, vertrauenerweckender Stimme. Er sah zu mir auf. »Wo hatte er die denn her?«
»Aus meinem Atelier.«
Er musterte mich mit neuem Respekt. »Deinem Atelier?«
»Ja, ich ... male ein bisschen«, sagte ich schüchtern.
»Die Piphers haben dir ein Atelier eingerichtet?«
»Eher Guillory, schätze ich. Es muss irgendwo in meinen alten Akten stehen, dass ich Kunst mag.«
Bren beschäftigte sich wieder mit Zavier. »Davon habe ich nichts gesehen. Ich habe nämlich über dich recherchiert.«
»Tatsächlich?«
Wieder ein Achselzucken. »Ich konnte nichts über dich finden. Nicht einmal einen Eintrag irgendwo, dass deine Eltern überhaupt ein Kind hatten. Sie legten wohl viel Wert auf Privatsphäre. Nur ein Foto von dir habe ich aufgetrieben, zusammen mit deinen Eltern, als du so etwa zehn warst, tief vergraben in den Datenarchiven von UniCorp. Aber du wirst dort nicht namentlich erwähnt. Du bist so etwas wie ein Geist. Keine digitalen Spuren. Konnte noch nicht mal deinen Geburtstag herauskriegen.«
»Als hätte ich nie existiert«, murmelte ich. »Genauso fühle ich mich manchmal. Alle, die ich kannte, sind tot.«
Bren ließ von Zavier ab und lehnte sich angespannt im Sitz zurück. »Das tut mir wirklich leid.«
Ich winkte ab. »Langsam gewöhne ich mich daran.«
»Trotzdem tut’s mir leid.«
Das Solarskiff glitt
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