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Während ich schlief

Während ich schlief

Titel: Während ich schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Sheehan
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Das Bett war leer. Anscheinend waren sie noch nicht aus dem Theater zurück.
    Die Tür schwang noch in den Angeln, da flüchtete ich schon durch den Flur und wünschte, Zavier wäre bei mir. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich laufen, was ich tun sollte. Warum war dieser Mann hinter mir her? Woher kam er?
    Gegen meine Stasis-Erschöpfung ankämpfend, rannte ich aus der Wohnung und durch die Korridore zum Aufzug. Ich würde nicht mehr lange laufen können, aber als ich den Aufzug erreichte, schreckte ich davor zurück. Womöglich war der Glänzende nicht allein?
    Vorsichtig entfernte ich mich und öffnete die Tür zur Treppe. Mucksmäuschenstill. Niemand wartete auf mich in dem grell beleuchteten Treppenhaus aus Beton. Barfuß, wie ich war, schlich ich geräuschlos die Stufen hinunter. Letztendlich gab es nur einen Ort, an dem ich mich sicher fühlen würde.

    Ich schlich weiter bis ins untere Kellergeschoss und bahnte mir einen Weg durch den Krempel dort, die eingelagerten Überbleibsel aus den Leben einstiger Bewohner. Dabei stieß ich mit dem großen Zeh an eine Holzkiste und schrie beinahe laut, als ein staubiger Kleiderbügel aus dem Dunkeln auf mich losging und einen schon vor vierzig Jahren aus der Mode gekommenen Mantel abwarf, der mir an die Kehle wollte. Diesen Gefahren entronnen, fand ich den alten Lagerraum und kauerte mich zitternd in meine verlassene Stase-Röhre.
    Ich dachte kurz daran, sie anzustellen und mich von den sanften Schwingungen meiner farbenfrohen Stase-Träume von meinen Albträumen forttragen zu lassen, von dem Grauen der verpassten Jahre, von meinem Verfolger, wer er auch war. Doch die Furcht, hilflos in der Stasis überwältigt zu werden, hielt mich davon ab, die Starttaste zu drücken. Stattdessen rollte ich mich leise auf den Kissen aus Seidensatin zusammen, eingehüllt in den staubigen Mantel, von dem ich mich angegriffen gefühlt hatte.
    Die durchdringende Kellerkälte kroch mir in die Knochen. Ich rieb meine Wange an den weichen Polstern und atmete den Duft schaler Stase-Chemikalien ein. Vielleicht wirkten sie noch ein bisschen. Nach den ersten Momenten panischer Angst glitt ich in einen halbbewussten Zustand, nicht in eine Stasis, aber eine Vorstufe davon. Was mich aus meiner kauernden Benommenheit riss, war mein Holofon, das schrill in der Dunkelheit piepte. Ich nahm es vom Hals und drückte die Annahmetaste.
    Es war Patty. Ihr straff frisierter Kopf tauchte als Hologramm vor mir auf, ihr Mund war angewidert verzogen. »Wo bist du?«, fragte sie streng. »Weißt du, was dein verflixter Hund hier angerichtet hat? Künftig wirst du das blöde Vieh in den Hundehort tun, wenn du weggehst, sonst schick ich ihn dahin
zurück, wo er hergekommen ist, das schwör ich dir! Ich wollte ihn sowieso nie haben!«
    »Was ist mit Zavier?«
    »Er ist eine Landplage! Er hat die Hälfte deiner grünen Ölfarbe gefressen und dein Atelier demoliert. Wenigstens ist es nicht mein Wohnzimmer, dein Glück. Du kommst jetzt sofort hierher und bringst das noch vor der Schule in Ordnung, sonst setzt es eine Strafe, vertragliche Verpflichtung oder nicht.«
    »Ich bin gleich da«, sagte ich und legte auf. Ich befreite mich von dem Mantel und joggte zum Lift. Meine Furcht war verflogen. Wenigstens betäubten die Reste der Stase-Drogen meine Angstrezeptoren, sonst würde ich vermutlich immer noch angstschlotternd im Keller hocken.
    Als ich in die Wohnung kam, schrie Patty gerade Zavier an, der sich unter meinen Zeichentisch duckte. Das Atelier war tatsächlich ein Schlachtfeld, und er konnte nicht ganz unschuldig daran sein. Abdrücke von Hundepfoten und andere Spuren zogen sich kreisförmig durch den Raum, und die Farbtube, die ich hatte fallen lassen, war angekaut, Zaviers blondes Fell grün gestreift. Noch mehr Wasser war in die Ölfarbe gelaufen und hatte grüne, flimmernde Archipele auf dem Dielenboden geschaffen. Dazwischen eingestreut lagen halb aufgelöste bunte Kreidestücke, die nicht mehr zu gebrauchen waren. Patty achtete darauf, nicht mit ihren schicken Schuhen in das Chaos zu treten. »Da bist du ja! Mach das bloß sauber, ehe du zur Schule gehst. Und dann nimm den blöden Hund mit. Wie konntest du ihn nur allein hier drin lassen?«
    »Ja, Patty«, sagte ich gefügig und wollte ihr gerade von letzter Nacht erzählen, aber sie war schon weg. Ich wusste sowieso nicht, wie ich ihnen das glaubhaft machen sollte.
    Nachdem die Luft rein war, versuchte ich, Zavier unter dem Tisch hervorzulocken. Zuerst wollte

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