Während ich schlief
sagte Mr. Sabah und ließ sich geschmeidig neben seiner Frau auf dem Zweiersofa nieder. »Ihm stehen alle Türen offen, stimmt’s, Reg?«
»Absolut«, kam es von Guillory.
»Heute Abend könntest du erstmal bei Roseanna und mir bleiben, wie wär’s? Du müsstest dir das Zimmer mit Hilary teilen, aber wenn dir das nichts ausmacht ...«
»Das wäre toll!«, platzte ich heraus. Dann schielte ich zu Bren hin und hätte mir am liebsten auf die Zunge gebissen. Aber was gab es für Alternativen? Außerdem mochte ich Mr. und Mrs. Sabah, und Bren mochte ich auch immer noch, trotz allem.
Halbherzig bereit, einen Rückzieher zu machen, fügte ich
hinzu: »Aber was ist mit Patty und Barry? Wenn das Ding wieder nach mir sucht und sie antrifft ...?«
»Plastobots denken nicht so komplex«, sagte Mr. Guillory. »Wenn sein Befehl auf dich abzielt, wird er nur nach dir suchen. Patty und Barry könnten direkt an ihm vorbeigehen und ihm einen Baseballschläger über den Schädel ziehen, und er würde sich nicht damit aufhalten, ihnen wehzutun. Solange sie ihn nicht daran hindern, dich zu verfolgen, wird er sie einfach ignorieren.«
»Okay«, sagte ich. Ich wollte in dieser Nacht nicht allein sein. »Kann ich Zavier mitbringen?«
»Nur heute Abend«, sagte Guillory. »Dorthin, wohin ich dich zu bringen plane, können wir keinen Hund mitnehmen.«
»Ist das in Ordnung?«, fragte ich Brens Eltern.
Sie nickten. Ich ging in mein Zimmer und packte eine kleine Reisetasche mit genug Sachen für ein langes Wochenende und schlüpfte dann in mein Atelier, um ein frisches Skizzenbuch zu holen. Sehnsüchtig blickte ich auf meine Ölfarben. Hoffentlich fanden sie diesen Roboterleichnam bald, damit ich mein Atelier wieder benutzen konnte.
Mrs. Sabah wartete schon in der Diele mit Zavier an der Leine. »Bis du so weit?«
»Ja. Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, Mrs. Sabah.«
»Nenn mich doch bitte Annie, ja?« Sie nahm mir die Tasche ab, obwohl ich protestierte. »Du bist noch geschwächt von dem Streckstab«, sagte sie. »Ich wette, jeder Muskel in deinem Körper schmerzt höllisch. Als Erstes werde ich dich mal in ein schönes, heißes Bad stecken, mit Meersalz und Schaum.«
»Das brauchen Sie aber nicht.«
»Warum denn nicht?«
»Vielen Dank, dass Sie mich einladen, Mrs. Sabah ... Annie.«
Sie lachte. »Ehrlich gesagt, war es Bren, der Mamadou den Vorschlag machte. Wenn, dann solltest du ihm danken.«
Ich war nicht sicher, wie ich das fand.
Die Wohnung der Sabahs war praktisch das Spiegelbild von meiner. Doch während es in meiner sehr ruhig war und die lange Leere immer noch nachhallte, ging es bei ihnen laut und lebendig zu, und es wurde viel gestritten. Bren war das älteste von drei Kindern.
Hilary war goldbraun und trug ihre Haare zu dichten Reihen eng am Kopf anliegender Zöpfchen frisiert. Sie war gerade vierzehn geworden und würde im kommenden Herbst auf Uni Prep anfangen. Kayin war zehn, schwarz wie Ebenholz, zappelig wie ein Floh, und steckte gerade mitten in der Pferdephase. Anscheinend hatte ich sie beide schon im Krankenhaus kennengelernt, konnte mich aber überhaupt nicht an sie erinnern. Das halbe Land war offenbar damals durch mein Zimmer paradiert.
Derweil Zavier von Kayin beschlagnahmt und in den Garten geführt wurde, machte Mrs. Sabah ihre Drohung wahr und steckte mich in die Badewanne. Jedoch keine gewöhnliche Badewanne. Alle Wannen in Unicorn Estates waren große, in den Boden eingelassene Whirpools, und Annie kippte so viel Badesalz, Duftöle und Designerschaumbad hinein, dass es beinahe war, wie in Stasis zu versinken, als ich mich ins Wasser gleiten ließ. Um ein Haar wäre ich eingenickt, doch dann kam Hilary mit einem Teller voller Leckereien herein, und ich merkte, dass ich total ausgehungert war. Seit der Mittagspause am Tag meiner unglücklichen Liebeswerbung um Bren hatte ich nichts mehr gegessen, und da war ich zu aufgeregt gewesen, um mehr als ein paar Happen zu mir zu nehmen. Das war über vierundzwanzig Stunden her, selbst wenn man die Zeit in der Stasis nicht mitrechnete. Obwohl sie in gewissem
Maße schon zählte, denn nachdem die vorher aufgenommene Nahrung einmal verdaut war, bewirkte der Stasis-Zustand nur, dass man nichts mehr benötigte. Ich achtete darauf, langsam zu essen, damit mir nicht wieder schlecht wurde.
Nachdem ich aus der Wanne gekrochen war, betrachtete ich mich im Spiegel. Das tat ich sonst nicht oft. Vor dieser letzten Stasis hatte Mom viel Zeit darauf verwandt,
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