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Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Titel: Wände leben - Samhain - Ferner Donner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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kann.“ Er zog einen Straßenatlas aus dem Handschuhfach und legte ihn neben sich auf den freien Sitz. Dann knallte er die Tür zu, startete den Wagen und fuhr in die Nacht davon. Es war noch nicht einmal zwanzig Uhr. Wenn alles gut lief, war er noch vor Mitternacht an seinem Ziel.
    Gilberts Grab.

3
    Es waren sechzehn Menschen. Zu Fuß waren sie hergekommen, und einige von ihnen hatten einen Marsch von mehreren Stunden hinter sich. Da war es nur verständlich, dass sie sich zunächst ins Gras fallen ließen und die Beine ausstreckten.
    Ein schöner Sternenhimmel spannte sich über ihnen, nur im Süden zogen ein paar Wolken dahin. Das Gras war feucht, aber sie hatten sich dick angezogen. Sie trugen Kleidung, wie sie ihre großen Vorbilder, die Kelten, vor zweitausend Jahren getragen hatten – einfache Röcke, Hosen und Hemden, darüber die wollenen Winterumhänge. Farbenfrohe Karomuster herrschten vor, die entfernt an die der schottischen Kilts erinnerten. Nicht nur die Frauen, auch die Männer trugen Armreife aus Metall. Dafür hatten sie manches abgelegt, was an die moderne Zeit erinnerte. Uhren und Handys waren verboten, und keiner führte welche mit sich. Allerdings hatten die Brillenträger unter ihnen nicht auf ihre Augengläser verzichten können, und ein paar Raucher hatten Zigaretten und Feuerzeuge mitgebracht. Wie Glühwürmchen leuchteten die Glimmstängel in der Dunkelheit. In ihrer Gruppe wurde so etwas geduldet.
    Sie waren die POCT, die Preservers of Celtic Tradition , nur eine von unzähligen neukeltischen Gruppierungen in Großbritannien, eine kleine Gemeinschaft von Menschen, die versuchten, ihr Leben nach den Überlieferungen der Kelten auszurichten, die wichtigsten Gebräuche zu übernehmen und im Einklang mit der Natur zu leben. Sie sahen die Kelten als ihre direkten Vorfahren und waren der Meinung, dass kein anderes Volk je eine so edle und fortgeschrittene Kultur und Religion entwickelt hatte. Die meisten von ihnen gingen normalen Berufen nach, waren Automechaniker, Kaufleute oder Beamte. Nur ihr Anführer, Corann, der Druide, hatte sein Leben ganz der Erforschung keltischer Traditionen gewidmet und wurde durch den Jahresbeitrag ernährt, den sie für ihre Mitgliedschaft zahlten.
    Sie waren zehn Frauen und sechs Männer, den Druiden eingeschlossen. Das jüngste Mitglied war ein fünfzehnjähriges Mädchen. Manche von ihnen hatten kleine Kinder, die sie zu manchen Feiern mitbringen durften. Zu Samhain allerdings mussten sie sie bei Angehörigen oder Freunden lassen. Nach der keltischen Überlieferung wäre es erlaubt gewesen, sie teilnehmen zu lassen, doch das britische Gesetz hatte ein Problem damit, dass kleine Kinder nachts um riesige Feuer herumtanzten und halfen, die Seelen der Toten zu rufen. Gruppen wie die POCT kamen wegen ihrer abweichenden Lebensweise zwangsläufig immer wieder in Konflikt mit dem modernen Gesetz und bemühten sich daher, Schwierigkeiten zu vermeiden, um nicht wegen einer aufgebauschten Lappalie zu einer verbotenen Organisation erklärt zu werden.
    Mehrere hundert Meter von der Landstraße entfernt, auf einer weiten Wiesenfläche, hatten sie in den letzten Wochen die Vorbereitungen für das große Feuer getroffen, das den Mittelpunkt ihrer Rituale darstellen würde. Corann hatte hier mächtige Erdkräfte entdeckt, und der Besitzer dieser Ländereien hatte ihnen glücklicherweise die schriftliche Erlaubnis gegeben, sich hier „auszutoben“, wie er es nannte. Der Holzhaufen war drei Meter hoch geworden. Jeder von ihnen hatte auf dem Weg hierher eine Fackel getragen, und das Feuer dieser Fackeln würde gleich das Holz in Brand setzen.
    Die sportlicheren unter ihnen, denen der lange Marsch nichts ausgemacht hatte, erhoben sich nach wenigen Minuten Pause und umkreisten den Haufen. Die anderen streckten sich, ihre Fackeln in den Boden gerammt, auf der Wiese aus, genossen die Ruhe oder unterhielten sich mit ihren Glaubensfreunden. Der Druide gönnte sich überhaupt keine Pause. Geschäftig schritt er das Land ab, führte kleine Rituale durch, nahm Kontakt zu den Göttern auf und bat sie, ihre Feier zu beschützen. Es war erstaunlich, welche Energie in dem über Sechzigjährigen steckte. Vielleicht sog er tatsächlich die Kräfte der Erde und der anderen Elemente in sich auf …
    „In Coventry gibt es ein Druidenseminar“, sagte einer der Rastenden nachdenklich zu der Frau, die zwei Meter von ihm entfernt auf der Wiese lag. „Zweitausend Pfund für die komplette

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