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Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Titel: Wände leben - Samhain - Ferner Donner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Gäste wie Gastgeber. Sir Darren war nicht ganz bei der Sache. Zwar nahm er an, dass der Spuk vorüber war, aber er hatte noch keinen Anhaltspunkt, welche Botschaft ihm sein Geistführer damit hatte übermitteln wollen.
    Er hatte seinen Teller zur Hälfte leergegessen, als die Schmerzen begannen.
    Seine Haut brannte plötzlich an mehreren Stellen wie Feuer. Quer über seine Brust zog sich ein Pfad dieser flammenden Pein, als hätten ihn dort die Nesselarme einer Qualle gestreift. Der Schmerz zog einen Kreis um seinen Körper herum, lief über den Rücken und wieder zurück auf die Brust. Dann tauchte das brennende Gefühl auch an den Oberarmen auf … und an den Schenkeln. In vier Spuren eilten die Qualen an seinen Armen und Beinen enthang, bis sie die Hände und Füße erreichten.
    Ihm blieb die Luft weg. Im ersten Moment dachte er, der enge Smoking könne für die Pein verantwortlich sein. Vielleicht war die Zirkulation des Blutes beeinträchtigt. Dann sah er, wie ein roter Ausschlag auf seinen Händen erschien, die Messer und Gabel hielten. Das Besteck entfiel seinen Fingern – der Schmerz war zu groß. Es war kein flächiger Ausschlag, sondern schmale Linien, die irgendwelche Symbole zu bilden schienen. Nein, es handelte sich um Buchstaben, gewöhnliche lateinische Buchstaben! Sie liefen über die Handrücken, und während sie auf der linken Hand an den Fingerknöcheln endeten, gingen sie auf seiner Rechten noch ein Stück weiter bis an die Fingerspitzen.
    Hastig versteckte er die Hände unter dem Tisch. Die Schmerzen trieben Tränen in seine Augen. Sein ganzer Körper schien in Flammen gehüllt zu sein.
    Die anderen starrten ihn an. Mr. Tiddlingson hatte den Bissen, an dem er eben gekaut hatte, aus dem Mund auf den Teller fallen lassen, ein unansehnlicher Klumpen zerkauten graubraunen Fleisches. Er riss die Augen auf, griff sich an die Kehle und betrachtete gleichzeitig voller Entsetzen seine eigenen Hände. „Der Wein“, würgte er hervor. „Er war also doch …“
    „Dummes Zeug!“, bellte Sir Darren. Die Schmerzen verzerrten seine Stimme. „Der … Wein … ist … in … Ord…“ Er kam auf die Beine, stieß den Stuhl hinter sich weg. Vor seinen Augen tanzten schwarze Kreise.
    Wo war die Tür? Er konnte sie kaum mehr erkennen. Sein Körper wollte, dass er die Lider schloss, sich zusammenkrümmte, aber das durfte er nicht. Den Weg durch den Flur zurück zum Ankleidezimmer fand er, aber während er halbblind dorthin taumelte, warf er eine Menge Dinge um. Hinter ihm schepperte und klirrte es. Die beiden Frauen stießen spitze Schreie aus. Noch im Gehen riss er sich das Hemd auf, streifte die Schuhe ab. Er prallte unerwartet gegen die Tür des Zimmers, schlug sich den Kopf an. Dann war er im Inneren und zog die Tür hinter sich zu. Er hätte gerne abgesperrt, doch es gab keinen Schlüssel. Er konnte nur hoffen, dass ihm die anderen nicht folgten.
    Sir Darren war niemand, der leicht Todesangst bekam. Aber heftige Schmerzen wie diese, die plötzlich und ohne jede Vorwarnung kamen, lösten in jedem Menschen Panik aus. Mit zusammengebissenen Zähnen riss er sich die Kleider vom Leib. Beim Ausziehen der engen Hose stürzte er, und als er sich benommen wieder aufrichtete, stand er zitternd, mit nichts als einem Slip bekleidet vor dem mannshohen Spiegel. Vor einer halben Stunde hatte er hier sein lächerliches Spiegelbild betrachtet. Im Vergleich zu dem, was er nun sehen musste, war es gar nichts gewesen.
    Lange Buchstabenreihen liefen über seinen Körper. Druckbuchstaben. Sie waren nicht aufgemalt, sondern kamen aus dem Inneren. Ein Ausschlag bildete die Schrift. Die tiefroten Pusteln hoben sich so deutlich und scharf umrissen von der blassen Haut ab, dass die Lettern gut zu lesen waren. Nicht einmal, dass sie sich im Spiegel in spiegelverkehrter Form abzeichneten, stellte eine Schwierigkeit dar. Lediglich die Schmerzen, die sein Gehirn zu lähmen schienen, ihm das ruhige Stehen schwer machten und ihm die Tränen in die Augen trieben, erschwerten das Entziffern.
    Die Inschrift auf seiner Brust begann mit den Worten ICH BRAUCHE HILFE. Sir Darren machte einen Schritt zur Seite und hielt sich an der Wand fest, als er zu taumeln begann. Ungeschickt drehte er den schweren Spiegel, um sich auch dann noch im Blick zu haben. Allmählich schienen die Schmerzen ein wenig abzuebben – vielleicht hatte er sich auch einfach nur daran gewöhnt.
    Er drehte sich zur Seite, las weiter.
    SIE KOMMEN UNS HOLEN FREDERIC IST

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