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Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Titel: Wände leben - Samhain - Ferner Donner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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züngelten für einen Augenblick Flammen. Doch die Geister – und es mussten Geister sein, die dort aus dem Jenseits gezogen wurden in sich im Netz verfingen – verglühten nicht. In kümmerlichen, zuckenden Fetzen blieben sie dort hängen.
    In Momenten, wo das Netz nicht leuchtete, konnte man dahinter ebenfalls Bewegungen erkennen. Schatten. Und hinter ihnen das Grauenvollste, eine Wand aus reinem Chaos.
    Laute wie von tausendfach angeschlagenen Saiten erfüllten die Luft.
    „Zu spät“, zischte Sir Darren. Er versuchte gar nicht erst zu verstehen, was hier vor sich ging. Nachdenken konnte er später – jetzt musste er handeln. Er machte ein paar Schritte auf den Druiden zu und entriss ihm den zwei Meter langen Stab. Mit dieser zweifelhaften Waffe rannte er auf die Senke zu. Ehe er den Abhang hinunter lief, sah er noch einmal über die Schulter hinter sich. Der Druide hatte der Frau das Schwert abgenommen und eilte ihm nach. Gleich hinter ihm kamen noch zwei Leute mit Fackeln.
    Gut.
    Vielleicht gut.
    Sir Darren lief durch die Dunkelheit. Als er den kleinen Friedhof erreicht hatte, tauchten die Fackelträger am Rand der Senke auf, und die Szenerie wurde heller. Die Grabsteine waren nun deutlich zu erkennen, schief und verwittert. Das wirbelnde Portal, durch das Licht und Geister kamen, lag ungefähr über dem Zentrum des Gräberfelds, in einigen Metern Höhe, unerreichbar, aber das spielte keine Rolle. Sir Darren wollte nicht ins Jenseits, er wollte zu dem Netz. Also hastete er weiter, über den Friedhof hinweg. Das Gespinst aus Licht kam näher, es sah nicht nur so aus, es bewegte sich tatsächlich auf ihn zu.
    „Stab“, murmelte er, „Insignie des Feuers! Ich bin ein vermaledeit schlechter Magier und kenne die rechten Formeln nicht, aber wenn da irgendetwas in dir ist, eine Kraft, dann bitte ich dich, setze sie frei!“
    Mit dem Stab fuhr er in das Gespinst hinein, doch außer, dass er einen leichten Widerstand spürte und ein Sirren vernahm, geschah nichts. Stattdessen wurde der Strom der Seelen (nichts anderes konnte dieser milchige Wirbel über ihm sein) immer stärker. Rasend schnell sprudelten die durchscheinenden Leiber durch die Öffnung und verhedderten sich im Netz.
    „Darren!“
    Er wandte sich nach dem Druiden um, bis ihm einfiel, dass dieser seinen Namen nicht kannte. Die Stimme kam von oben. Ein dicker weißer Körper schwebte dort, ein wenig abseits des Stromes und doch damit verbunden. Gilbert!
    „Darren, du musst mir helfen! Das ist das Ende!“ Die Stimme war deutlich und klar wie die eines lebenden Menschen. „Sie holen mich, wie sie Frederic geholt haben!“
    Der Angesprochene streckte den Stab in die Höhe, und Gilbert griff danach. Doch seine Hände fuhren hindurch, fanden keinen Halt daran. „Daaaaarreeeeen!“, schrie die Seele, als der Sog sie hinwegzerrte. Atemlos musste der Spiritist zusehen, wie auch Gilberts nicht-stofflicher Körper sich in dem endlosen Netz verfing.
    Der Druide eilte nun schnaufend an ihm vorüber. Vor dem Gespinst hob er das Schwert. Mit lauter Stimme sprach er:
    „In der Erde ruhen eure Gebeine,
    das Feuer hat euch gerufen,
    wie Wasser ist euer Reich,
    doch aus Luft seid ihr gemacht!
    Und das Schwert ist die Luft – eure Waffe.
    Nehmt es! Führt es! Ich, Corann, halte es für euch bereit!“
    Es war die Hand des Druiden, die das Schwert führte. Und doch – vielleicht waren die Geister daran beteiligt, dass dieser Mann die schwere Waffe heben konnte, als wäre sie aus Papier.
    Die Klinge fuhr in das Gespinst. Und sie zeigte Wirkung.
    Die Fäden des Netzes wurden durchtrennt, die Enden zuckten wie die Leiber von Schlangen, die man zerstückelt hatte. Saiten klangen scheppernd auf. Wieder und wieder landete der Druide einen Hieb. Es war unmöglich, das gesamte Netz zu zerstören, denn es setzte sich zu allen Seiten hin fort, ragte sogar in den Himmel hinauf, und wahrscheinlich bildete es sogar eine Art Kuppel über ihnen.
    Dennoch war der Angriff erfolgreich. Das Gespinst kam nicht mehr näher, zog sich sogar zurück. Die Aktionen der Schatten dahinter wurden hektischer, sie bewegten sich in Richtung auf die Wand des Chaos zu, die ihnen folgte.
    Einige der Geister, die das Gespinst gefangen hatte, konnten sich befreien. Andere blieben daran kleben und zappelten wie Fische im Netz des Fischers. Was aber am wichtigsten war: Der Sog schien nachzulassen, denn durch das flirrende Portal am Himmel kamen keine Seelen mehr nach. Die Tür ins Jenseits schien sich

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