Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift

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des Bildes war, in dem er gleichzeitig fehlte.

    Als dann der Brief, über den Umweg der Jebb Farm, eintraf und unter dem Bekunden tiefen Beileids mitteilte, dass Tom tot war, spürte Ellie abermals, wie das ihre Hoffnungen beflügelte. Nicht, dass sie es gezeigt hätte. Es war nicht sehr schwierig, Gefühle, die sie immer schon versteckt hatte, weiterhin versteckt zu halten. Andererseits wollte sie sich nicht so weit verstellen, dass sie unechte Tränen vergoss. Selbst dann nicht, als Jack plötzlich in Tränen ausgebrochen war, wie sie es noch nie erlebt hatte.
    Ihre Hoffnungen stiegen in den Himmel. Sie konnte nichts dagegen tun. Jetzt war Tom endgültig aus dem Bild gestrichen. Törichterweise eilten ihre Gedanken den Ereignissen weit voraus – noch als Jack den Brief hielt und zu zittern anfing. Jetzt waren sie und Jack wahrhaftig in Sicherheit. Tom würde nie wieder auftauchen. Und, wer weiß, all dies konnte umgehend und unaufhaltsam die Wirkung haben, dass sie ihren lange verweigerten Wunsch erfüllt bekam. Es konnte sein, dass Jack in diesem Punkt ganz und gar umschlug. Wer weiß, in wenigen Wochen, am Sapphire Bay auf Santa Lucia, in ihrem klimatisierten Bungalow und bei der Hitze der Nacht draußen, würden sie sich vielleicht ernsthaft ans Werk machen.Wenn es ein Junge würde, könnten sie ihn Tom nennen, falls Jack das wollte. Das wäre ihr recht.
    Und wenn es ein Mädchen wäre (auch das wäre ihr recht), konnten sie es Vera nennen. Oder Marilyn.
    All dies raste ihr durch den Kopf, während sie Jack Luxton zusah, der erst zitterte, dann am ganzen Körper bebte und schließlich in Tränen ausbrach. Kein vertrauter Anblick, auch kein schöner. Sie hatte die Arme um ihn gelegt und gespürt, wie seine großen Knochen in ihm arbeiteten.
    Und schon im nächsten Moment, als sie eine größere Wahrheit zu erfassen begann, die im Laufe der folgenden Stunden und Tage nur noch größer werden würde, waren ihre Gedanken ebenso schnell wieder zurückgesunken, in ihre eigenen Knochen. Die Wahrheit war nämlich, dass Tom zwar nie wieder zurückkommen würde, dass er aber dennoch zurückkam. Für Jack kam er in voller Lebensgröße zurück. Er kam zurück und würde sie fortan verfolgen.
    Sie hatte gesehen, wie der Teil von Jack, der zu Tom gehörte, der doch jetzt tot war, größer wurde, während das Stück von Jack, das ihr gehörte, kleiner wurde.
    Und dann hatte Jack das mit Santa Lucia gesagt.

    In Ellies Leben hatte es bis zu diesem Zeitpunkt – und sie war erst neununddreißig – nur drei bedeutsame schriftliche Mitteilungen gegeben. Die eine war der Brief, den Jack gerade erhalten hatte. Die zweite war der Wunderbrief damals von Onkel Tonys Anwalt gewesen. Aber die erste und zu jener Zeit mit Abstand die wichtigste war die Postkarte gewesen, die sie damals von Jackerhalten hatte. Noch heute sah sie das Meer, blauer als blau, und den Himmel und den geschwungenen Strand und das Halbrund der Kreidefelsen, wie wenn jemand breit lächelte. Und sie sah auch noch das Gesicht ihrer Mutter, Alice Merrick, wie sie damals noch hieß, die ihr mit einem Lächeln eines Morgens die Karte gab.
    Wie hatte ihr Herz jubiliert. Gezürnt und jubiliert. Damals hatte Ellie noch nie das Meer gesehen. Jetzt war sie hier, mit Jack, und lebte unmittelbar am Strand. Sands End, Sapphire Bay. Das Meer hier, das Meer dort.
    Und jetzt, da sie die Tür hinter Major Richards schloss, hätte sie am liebsten selbst geweint, ihren Anteil an Tränen vergossen. Nicht um den armen Tom Luxton, sondern wegen der dummen, duldsamen, störrischen Mühen, die eine Frau eines Mannes willen auf sich zu nehmen bereit ist. Was sie nicht alles für ihn tun würde! Ihr Leben lang. Wo er doch, bei Licht besehen, nicht besonders viel hermachte. Kein großer Fang. Andere Frauen sagten vielleicht: »Für ihn?«
    Aber er war alles, was sie hatte, und die meiste Zeit wirklich und wahrhaftig alles, was sie wollte. Wie ihre Fingerspitzen seinen großen Körper abgetastet hatten. Wenn sie ihn nur ganz haben könnte. Und einmal hatte sie gedacht, sie hätte ihn endlich für sich, hätte rundum eine Zukunft für sie beide gemacht.
    »Liebe Ellie, wärst du doch hier.«

14
    Als Jack zusah, wie Ellie die Tür hinter Major Richards schloss, zitterte er innerlich noch immer. Es kam ihm so vor, als hätte er gerade abermals erfahren, dass Tom tot war, nur dass es diesmal die Wirklichkeit war. Das erste Mal war lediglich eine Übung gewesen, eine Art