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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
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vielen Lebensbereichen waren, in diesem Bereich kannte er sich von früher her aus. Babbages in Barnstaple. Babbages hatte er damals mit der Beerdigung seines Vaters betraut. In diesem Bereich kannte er das Drum und Dran. Obwohl das hier ganz anders war. Andererseits, so einfach war das Drum und Dran bei seinem Vater auch nicht gewesen.
    Jack hatte gesagt: »Marleston. Marleston in North Devon.« Dann hatte er Major Richards erklärt, dass die nächste größere Stadt Barnstaple sei. Gleichzeitig hatte Jack gedacht: Von der Isle of Wight nach Oxfordshire, dann nach Marleston und wieder zurück nach Hause. Das hieß mindestens eine Nacht woanders.
    Major Richards hatte erklärt, Jack und Mrs.   Luxton würden weitere und umfassende Details über die Zeremonie zugeschickt. Und natürlich eine förmliche Einladung. In Jacks Ohren klang das Wort »Einladung« nicht wie eins, das zum Militär passte, und überhaupt schien es in diesem Fall nicht das richtige Wort zu sein. Major Richards hatte gesagt, er würde ihn wieder kontaktieren (das schien schon eher ein echtes Militär-Wort zu sein), telefonisch oder sogar, sollte sich das als nützlich erweisen, durch einen weiteren Besuch, und Jack solle nicht zögern, seine Fragen zu stellen, falls er welche hätte.
    Obwohl Major Richards diese Bemerkung schon bei seinem Besuch und mit aufrichtiger Freundlichkeit in der Stimme gemacht hatte, hörte es sich für Jack jetzt soan, als wäre das genaue Gegenteil gemeint: Man bewies Anstand, wenn man zögerte   – und bloß keine Fragen stellte. Es war, als wäre Major Richards sein Kommandeur und hätte ihm soeben mitgeteilt, jeder sei natürlich frei, einen Rückzieher zu machen, wenn das sein Wunsch sei, Anstand aber gebiete es, das nicht zu tun. Als würde sein Soldatengeist geprüft.
    Ohnehin war es Jacks Grundposition im Leben, zu zögern bevor er zu viele Fragen stellte. Er wusste, dass er niemals fragen würde (obwohl er es gern gewusst hätte), wie genau sein Bruder   – und geschweige denn, warum   – gestorben war (er wusste, dass die Armee es vorzog, wenn er solche Fragen nicht stellte). So wie er auch Ellie nie gefragt hatte, wie es kommen konnte, dass ihre beiden Väter so rasch hintereinander gestorben waren. War der Tod so ansteckend?
     
    Als er den Hörer auflegte, erklärte er Ellie, dass sie Tom zurückbrachten. Er habe ein Datum mitgeteilt bekommen. Es würde eine Zeremonie auf einem Luftstützpunkt geben. Und sie seien frei, die Bestattung in die Wege zu leiten.
    Bis dahin hatte es zwischen ihnen keine Diskussion über das gegeben, was unvermeidbar bevorstand. Natürlich müsste es in Marleston sein, sagte Jack jetzt. Das habe er entschieden. Doch später fragte er sich   – und er fragt es sich jetzt noch   –, ob es anders gewesen wäre, wenn er gesagt hatte, sie wollen es hier bei ihnen machen. Weil das näher und bequemer war. Wenigstens hätte Ellie sich dann nicht rauswinden können. Aber hätte ihr der Vorschlag gefallen?
    In den vierundzwanzig Stunden nach Major Richards Besuch hatte Jack das Gefühl, dass die unsichtbare Mauer zwischen ihnen sich immer mehr verfestigte   – die Mauer, die, so könnte er denken, durch Ellies Unfähigkeit, ihn zu trösten, entstanden war. Nur dass es ihm manchmal   – wie in einer ungerechten Umkehrung der Situation   – so vorkam, dass es auch aus einem verwunderlichen Versagen seinerseits, sie zu trösten, herrühren könnte.
    Als hätte er sagen sollen: »Es tut mir leid, Ell. Es tut mir aufrichtig leid.« Ohne zu wissen, was.
    Eine Bestattung bei ihnen. Eine Einäscherung, möglicherweise. Dann hätten sie die Asche   – Tom   – über Holn Head ausstreuen können. Oder in die Wellen von Sands End. Hätten zusammen am Strand stehen können. Oder zwischen den Wohnwagen. Aber Jack mochte die Vorstellung der Einäscherung nicht. Es beschwor üble Bilder herauf. Als der Farmer, der er war, entschied er sich natürlicherweise für eine Erdbestattung. Außerdem hatte er das deutliche Gefühl, dass Tom wahrscheinlich ohnehin halb verbrannt war.
    Jedenfalls, Marleston. Wo sonst? Er hätte sagen können: Wo die anderen auch liegen. Auf dem Friedhof von All Saints.
    Sie müssten daran teilnehmen   – an der Zeremonie. Danach müssten sie zu der Bestattung in Marleston fahren. Sie müssten irgendwo übernachten. Dabei wären sie keine Meile von den Höfen Jebb und Westcott entfernt, wo sie gelebt hatten.
    Für Jack war es wichtig und gleichzeitig nur

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