Waffenschmuggel
kurzgeschnittenes dunkles Haar, und ihr schmales, zartes Gesicht mit den hohen Backenknochen erinnerte ihn an die Büste der Königin Nofretete, deren Abbildung er im ›Life‹ gesehen hatte. Ihr Teint wirkte hell, aber nicht bleich. Sie benutzte keinen Puder und nur wenig Lippenstift. Sie war schlank, und der weite Seidenrock ließ ihre schmale Taille noch schmaler erscheinen. Enttäuschend waren nur ihre Beine. Greg fand sie allzu gerade und formlos. Dennoch war sie ein ungewöhnlich reizvolles Geschöpf, und es war fast unverständlich, daß ein Captain Lukey sie erobert hatte. Neben ihr wirkte er hölzern und ungeschlacht. Sie lächelte entgegenkommend, wobei ihre sehr schönen Zähne sichtbar wurden. Aber das Lächeln erreichte nicht ihre Augen, und in solchen Augenblicken wirkte sie weniger schön. Es wäre möglich, dachte Greg, daß sie einen stumpfen Geist hat.
Ihr Mann war ein überwältigender Gastgeber. Er trank viel und redete ununterbrochen, meist von Leuten, die er in Südafrika und Ägypten gekannt hatte. Viele der Geschichten, die er zum besten gab, fand Greg witzlos, bis ihm klar wurde, daß Lukey sie aus Rücksicht auf Dorothy und möglicherweise auch auf seine eigene Frau zensiert hatte. Er gehörte zu den Männern, deren mit Anekdoten vollgestopftes Gedächtnis einem gepackten Tornister gleicht; herumwühlen und etwas Passendes aussuchen konnte er nicht, er mußte herausnehmen, was gerade zuoberst lag, schmutzige Wäsche so gut wie saubere. Bemerkenswert war auch, daß mit vorrückendem Abend die gesellschaftlichen Ansprüche der Personen, die seine Erinnerungen bevölkerten, immer bescheidener wurden. Offizierskameraden, Generale, höhere Kolonialbeamte, bedeutende Geschäftsleute und Gesandtschaftsattachés wurden nach und nach von Stabsfeldwebeln, Kantinenwirten, Stewards, Barmixern und schäbigen Gestalten abgelöst, mit denen er in dunklen Kneipen Bekanntschaft geschlossen hatte. Captain Lukeys Aussprache verschlechterte sich ebenfalls oder wurde doch wenigstens anders; kräftigere Töne und ein ungehemmterer Redefluß ersetzten die gekünstelte Redeweise des Nachmittags.
Für Greg und Dorothy war er jetzt leichter zu verstehen, und da einige seiner Geschichten recht komisch waren, begannen sie sogar, sich für ihn zu erwärmen. Der Offizier und Gentleman Lukey mochte anrüchig wirken, aber Lukey, der Landsknecht, hatte etwas Gewinnendes.
Das indische Restaurant befand sich in einer Nebenstraße der Orchard Road. Es war klein und schmutzig. Die Kellner waren Inder. Sie trugen Dhotis und gestreifte Hemden mit heraushängenden Zipfeln. Anstelle von Tischtüchern breiteten sie Bogen von weißem Packpapier über die Tische. Ein einziger Ventilator bewegte die vom Curryduft geschwängerte warme Luft. Es gab schrecklich viele Fliegen. Greg nahm sich vor, sobald sie wieder im Hotel wären, sich und Dorothy erst einmal eine volle Dosis Enterovioform einzuflößen, das sie sich in Saigon besorgt hatten.
Mrs. Lukey bestellte das Essen in einer Sprache, die Greg und Dorothy nie gehört hatten; sie sagte ihnen, daß es Urdu sei. Die Zubereitung des Essens dauerte sehr lange, und Captain Lukey hatte bereits vier weitere Stengahs getrunken und zweimal die Toilette aufgesucht, als es schließlich gebracht wurde. Es gab vier Gänge, von denen zwei Currygerichte waren, und dazu eine Schüssel mit gekochtem Patna-Reis. Zu Gregs Überraschung schmeckte alles ganz ausgezeichnet. Curry-Ragouts hatte er oft gegessen; im Universitätsclub von Wilmington standen Krabben in Currysauce oder Puter mit Curryreis tagtäglich auf dem Lunchmenu, aber Currygerichte wie diese hier hatte er noch nie zu essen bekommen. Es war feurig, aber nicht streng, und es schmeckten Gewürze durch, die ihm unbekannt waren.
»Im Westen nimmt man fertiges Currypulver.«, erklärte Mrs. Lukey. »Hier werden die Gewürze frisch gemahlen und für das jeweilige Gericht gemischt. An diesem Gericht zum Beispiel ist weniger Koriander und mehr Kümmel. Das ist es, was Sie schmecken.«
Ein Teller mit indischen Zutaten wurde auf den Tisch gestellt. Außer Gewürzkernen, Saucen und geraspelter Kokosnuß gab es auch Bananenscheiben.
»Wenn ein Currygericht zu scharf ist«, sagte Mrs. Lukey, »nehmen Sie Bananenscheiben hinzu, und gleich ist es milder.«
»Sie meinen, es erscheint dann milder?«
»Nein, es ist milder. Viele behaupten, daß es am Saft der Banane liegt. Probieren Sie nur.«
Dorothy probierte und war beeindruckt.
Mrs. Lukey
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