Waffenschwestern
auf dem Spiel. Dir ist es egal, ob du Barins Karriere zerstörst oder nicht…« Anders als Esmay selbst, 94
für die der Gedanke eine echte Qual war. »Du denkst, dein Geld und deine Familie geben dir das Recht, dir jeden zu nehmen, den du haben möchtest.«
Brun war bis auf die Lippen weiß geworden. Esmay war es egal. Ihre Sorge vor dem nächsten Tag, ihre Erschöpfung nach Wochen zusätzlichen Lernens – all das wurde von einem
rechtschaffenen Zorn verzehrt. »Du hast so viel Moral wie eine rossige Stute; du hast nicht mehr seelische Tiefe als ein Tropfen Wasser auf einem Fenster. Und eines Tages wirst du mehr brauchen, und ich verspreche dir – ich verspreche es dir, Miss Reich und Berühmt –, dass du dir wünschen wirst, du hättest es, und du wirst wissen, dass ich Recht habe. Geh jetzt hinaus und bleibe draußen. Auf mich wartet Arbeit.«
Damit, riss Esmay die Tür auf; sie war entschlossen, Brun notfalls hinauszuschubsen, aber Brun stolzierte an ihr vorbei, unter den Augen der wartenden Sicherheitsleute, die darauf bedacht waren, keine von beiden anzusehen. Die Türen waren nicht darauf ausgelegt, sie zuzuknallen, andernfalls hätte Esmay genau das getan. Wie die Lage war, sortierte sie ihre Ausrüstung mit zitternden Händen, packte sie ein, stellte sie auf die Seite und lag dann, ohne zu schlafen, auf der Koje und wartete auf den Wecker.
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Kapitel vier
Brun stolzierte die Straßen von Q-Town entlang, bemüht, ihre Wut herunterzuschlucken. Dieses frömmlerische kleine
Tugendlamm … diese zimperliche Hinterwaldgöre … ihre Familie fütterte wahrscheinlich barfuß Schweine. Nur weil sie, Brun, in Reichtum aufgewachsen war, nur weil sie über Sex reden konnte, ohne dabei das Gesicht zu verziehen …!
In einem Winkel ihrer Gedanken wusste sie, dass das unfair war. Esmay war kein unwissendes Mädchen, sondern eine Frau, die älter war als Brun und es zu etwas gebracht hatte. Nicht viel älter, aber eine Absolventin der Akademie, ein Flottenoffizier, eine Kriegsveteranin … Brun hätte nur zu gern Esmays
Erfahrungen. Sie sehnte sich nach Esmays Respekt.
Aber nicht so sehr, dass sie sich dafür in eine tantenhafte, zugeknöpfte, sexlose, griesgrämige …
Esmay war allerdings nicht griesgrämig.
Brun wollte nicht fair sein. Sie wollte wütend sein,
rechtschaffen zornig. Esmay hatte nicht das Recht, sie dermaßen zur Schnecke zu machen, hatte nicht das Recht zu behaupten, Brun verfüge über keinen Sinn für Moral. Natürlich hatte sie den! Zum einen hatte sie Lady Cecelia gerettet. Sogar Esmay gab das zu. Abgesehen von den erforderlichen Eskapaden, die alle Leute ihrer Art in der Pubertät durchliefen, hatte ihr nie jemand vorgeworfen, sie wäre unmoralisch.
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Sie stöberte in ihrer Vergangenheit herum und fand ein
Beispiel nach dem anderen, wo sie sich auf eine Art und Weise verhalten hatte, die, da war sie überzeugt, Esmays Beifall gefunden hätte … nicht, dass es sie etwas angegangen wäre!
Brun hatte diese kleine Ponsibar auf der Schule beschützt, die schon bei ihrer Ankunft so verängstigt gewesen war und so leicht zu schikanieren. Brun hatte die Wahrheit über den Zwischenfall im Biologielabor gesagt, auch wenn ihr das einen Monat Arrest eintrug und die Freundschaft von Ottala Morre-line kostete. Sie war höflich zu Großtante Trema gewesen, selbst als diese formidable alte Dame die Gäste auf dem Jagdball mit Geschichten vom »kleinen Dummchen« unterhielt, das als Kleinkind nackt im Springbrunnen herumgetobt war.
Danach hatte sich Brun einfach zu vieler Brüder von
Klassenkameradinnen erwehren müssen, sich aber nicht gegen Tante Trema gestellt. Sie und Raffa auf der Insel… sie hatten sich gegenseitig das Leben gerettet.
Sie fand allerdings nichts, womit sie sämtliche Anschuldigungen hätte überkleistern können. Na ja … was sollte es? Sie hatte andere Maßstäbe; das bedeutete nicht, dass sie gar keine hatte. Gerade als die Stimmen in ihrem Kopf in eine Diskussion darüber einstiegen, entschied Brun, dass sie durstig war, und betrat eine der Kneipen an der Straße.
DIAMOND SIMS stand auf dem Schild. Brun vermutete,
dass sich das auf falsche Diamanten bezog und dabei auch den Aspekt von Weltmüdigkeit ansprach. Drinnen waren die Tische und Nischen dicht mit Männern und Frauen besetzt, die genauso gut hätten Uniformen tragen können wie die weitgehend tristen Schiffsanzüge, die sich zur bevorzugten Freizeitkleidung des Militärs entwickelt hatten. Die Haltung,
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