Waffenschwestern
herunterschlucken.
»Verrückter Militarist?«, fragte er. Brun starrte ihn an. Es war doch nicht möglich, Gedanken zu lesen, oder? Dann seufzte er.
»Ich wünschte wirklich, dass die Menschen irgendwann im Verlauf der Geschichte mal aufhören würden, den Mut von Militärangehörigen herabzuwürdigen, indem sie behaupten, diese Leute hätten keine normalen Gefühle.«
»Lepescu schien keine zu haben«, wandte Brun ein.
»Lepescu stellte ein ernstes Problem dar«, sagte der Mann.
»Es war verdammt knapp, und er hätte es beinahe geschafft, die Familie Serrano auf dem Weg über Heris zu ruinieren; er war 111
bei jedem Gefecht, an dem er beteiligt war, vermutlich für mehr Todesfälle verantwortlich als der Feind. Aber er kann wohl kaum als typisch gelten. Sogar in seiner Familie gibt es gute Offiziere, obwohl keiner von ihnen jetzt noch mit einer Karriere rechnen kann.«
Er nahm einen tiefen Schluck Ale, setzte den Becher ab und sah Brun wieder direkt an.
»Also … zurück zu Ihnen. Was hat Sie so sauer gemacht?«
»Eine Auseinandersetzung.«
»Mit wem?«
»Mit Esmay Suiza«, antwortete Brun. Der Zorn brach wieder aus ihr hervor. »Sie war wie Sie – sie denkt, ich wäre nur ein verdorbenes reiches Mädchen, das im Universum herumtobt und seinen Spaß hat. Sie hatte den Nerv – die Frechheit, mir zu sagen, mein Leben hätte keinerlei moralische Struktur.«
»Hat es denn eine?«
»Natürlich hat es eine!«
»Was betrachten Sie dann als Zweck Ihres Lebens? Was tun Sie, um Ihre Existenz zu rechtfertigen? Weshalb sind Sie hier?«
Wenn er es so ausdrückte in dieser lockeren Stimme, die weder Lob noch Anschuldigung ausdrückte, dann fand Brun die Antworten, die ihr in den Sinn kamen, eindeutig unzureichend.
Sie war die Tochter ihres Vaters; sie existierte, um … die Tochter ihres Vaters zu sein. Nein. Sie wollte nicht einfach nur die Tochter ihres Vaters sein, aber ihr war bislang nichts anderes eingefallen.
»Ich habe Menschen geholfen«, versetzte sie lahm.
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»Das ist nett«, fand er. Sie war nicht sicher, ob darin Sarkasmus mitschwang oder nicht. »Die meisten Leute haben das bei der einen oder anderen Gelegenheit. Sie haben das Leben Ihrer Freundin auf dieser Insel gerettet. Das ist ein Punkt für Sie. Ist das Ihre Mission, das Leben anderer zu retten, indem Sie die umbringen, die diese Menschen zu töten versuchen?
Falls ja, dann muss ich doch feststellen, dass Sie dafür bestürzend schlecht ausgebildet sind und übermäßig für
anderes.«
»Ich … weiß es nicht.« Brun nahm einen weiteren Schluck Ale.
»Hmm. Sie sind jetzt Mitte zwanzig, nicht wahr? In diesem Alter zeigen die meisten jungen Leute ohne Ihre … Vorteile …
mehr Orientierung. Denken Sie an den Offizier, mit dem Sie sich gestritten haben. In Ihrem Alter hatte sie sich für einen Beruf entschieden, war von zu Hause weggegangen, ungeachtet einigen Widerstandes gegen ihre Laufbahnentscheidung, und hatte sich im gewählten Beruf als tüchtig erwiesen. Sie ist nicht herumgesaust, um Abenteuer zu erleben.«
»Nur weil ich reich bin …«
»Versuchen Sie das nicht!«, sagte er, und diesmal drückte sein Ton Verachtung aus. »Es hat nichts mit Reichtum zu tun; Ihr Vater zum Beispiel demonstriert in jeder Hinsicht, dass er ein ehrenvoller, hart arbeitender Mann ist, dessen Mission darin besteht, den Familias – und der eigenen Familie – zu dienen.
Ihre Schwester Clemmie hat sich schon vor der Heirat dafür entschieden, auf einem Gebiet der Medizin zu arbeiten, auf dem ihre Fähigkeiten und ihre Begabung tatsächlich anderen nützen.
Sie Ihrerseits sind zwar bereit, Freunden zu helfen, zeigen aber keine konsistente Orientierung im Leben.«
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»Ja, aber…«
»Also würde ich sagen, dass Lieutenant Suiza wohl im Recht war. Sie sind eine feine Dame, Brun Meager, aber halt nicht mehr. Und eines Tages werden Sie sich, falls Sie Ihre seelischen Kräfte nicht ausreichend entwickelt haben, in einer Lage wiederfinden, mit der Sie nicht fertig werden – und ohne jedes Hilfsmittel, um sie zu meistern.«
Brun funkelte ihn an; ihr fiel nichts ein, was sie hätte sagen können.
»Wir alle hier waren schon in solchen Situationen«, sagte er nach einer Unterbrechung. »Grips allein reicht nicht.
Körperkraft allein reicht nicht. Das Leben wirft einem Dinge an den Kopf, die zu viel sind für Grips und Kraft. Sowohl gescheite als auch starke Menschen können verrückt werden – oder
schlimmer noch, können böse werden wie
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