Waffenschwestern
Plötzlich wurden drei blassblaue Spuren sichtbar, die vom zweiten Sprungpunkt aus eine weite Kreisbahn ausführten und schließlich entlang der Flugbahn des Kauffahrers stoppten.
»Da sind sie, Sir. Sind über Nummer zwei hereingekommen
… und haben sich in den Hinterhalt gelegt, wie es aussieht.«
»So sehe ich es auch. Gute Arbeit, Quin. Naja, die Lage scheint recht klar. Jemand wusste, dass der Kauffahrer diesen Weg nehmen würde, und wollte ihn haben; jemand ist
hergekommen und hat sich entweder in den Hinterhalt gelegt oder ein Rendezvous durchgeführt.« Er lächelte Esmay an.
212
»Jetzt, Lieutenant, fahren wir hinein und sehen mal nach, welche Hinweise wir aufsammeln können.«
Der erste Hinweis waren einzelne Objekte, eindeutig Trümmer.
»Also ist das Schiff explodiert?«, fragte Esmay. »Oder wurde hochgejagt?«
»Nein – dafür sind es nicht genug Trümmer.« Der
Scannertech deutete aufzählen am Seitenrand des Displays. »Ich führe hier Buch über die geschätzte Gesamtmasse aller
Fragmente, und sie ist geringer, als in einen der fünf Laderäume des Frachters passen würde, hinter dem wir her sind. Außerdem wären sie inzwischen viel weiter verstreut, falls sie auf eine Explosion zurückgingen. Das hier wurde von etwas abgeworfen, das eine sehr geringe relative Geschwindigkeit hatte, und hat vielleicht noch einen kleinen zusätzlichen Schub erhalten.
Meine Vermutung lautet, dass jemand das Schiff gekapert und entführt hat.« Sie stellte einen der feinkörnigen Scanner neu ein.
»Mal sehen, ob wir Leichen finden.«
Eine Stunde nach der anderen, einen Tag nach dem anderen nahm die mühselige Arbeit ihren Fortgang. Das SAR-Schiff entdeckte und identifizierte ein Trümmerstück nach dem
anderen, während gleichzeitig Fundort und Richtung auf einem 3-D-Display registriert wurden. Hunderte, Tausende von
Einzelstücken … und dann die Leichen, von denen sie gewusst hatten, dass sie hier zu finden waren, die zu finden sie sowohl gehofft wie gefürchtet hatten. Sie nahmen sie in einer Vakuum-bucht auf und zeichneten sie mit Nummern aus, in der
Reihenfolge, in der sie gefunden wurden. Männer, Frauen … die 213
Männer in Schiffsoveralls, die Namen auf Rücken und Brust, wie erwartet; die Frauen …
»Man hat ihnen die Zungen herausgeschnitten«, sagte der Arzt. »Und sie sind nackt.« Esmay hörte die Anspannung aus seinem Tonfall heraus. »Hier draußen kann ich nicht feststellen, ob es vor oder nach dem Tod getan wurde.«
»Ich habe noch nie gehört, dass die Bluthorde bis in diesen Sektor vorgedrungen ist«, sagte jemand.
»Das ist nicht das Werk der Bluthorde … sie verstümmeln auch Männer, und das ist ohnehin nicht ihre typische Art von Verstümmelung.«
Lieutenant Venoya Haral, Major Bannons Assistentin, häufte die Gegenstände auf dem Tisch auf. Bannon selbst war in der Leichenhalle und untersuchte die geborgenen Leichen. »Diese Objekte sind nach Fundort markiert«, sagte sie zu Esmay. »Jetzt müssen wir herausfinden, was sie uns über die Besatzung und die Piraten erzählen können.«
»Haben wir keine Besatzungsliste von Boros erhalten?«
»Doch, aber Besatzungslisten sind nicht immer völlig genau.
Jemand scheidet durch Krankheit oder Trunkenheit für eine Tour aus, oder jemand nimmt sein Kind mit.«
»Kinder?«
»Gewöhnlich ja. Handelsschiffe haben oft Kinder an Bord, besonders Schiffe, die eine feste Route befahren wie dieses.
Bislang haben wir keine Kinderleichen gefunden – was
allerdings nichts besagt. Sie sind schließlich kleiner und schwerer zu entdecken. Uns fehlen weiterhin die Leichen von 214
fünf Erwachsenen, einschließlich der des Kapitäns. Mal sehen.«
Haral machte sich daran, die Gegenstände zu sortieren. »ID-Etuis … die kommen auf diese Seite. Gegenstände zur
Körperpflege. Aufzeichnungsgeräte … aha\« Sie wollte ein solches zur Hand nehmen, schüttelte aber den Kopf. »Nein …
wir gehen geordnet vor. Aber ich kann nur hoffen, dass hier etwas Hilfreiches aufgezeichnet wurde.«
»Hier haben wir ein Kinderspielzeug«, sagte Esmay. Es
handelte sich um ein Stofftier in Blau und Orange, von
irgendeinem Kind kräftig abgenutzt. Esmay wollte nicht über das Schicksal der Kinder auf dem Kauffahrer nachdenken. Sie musste sich mit der Hoffnung begnügen, dass sie tot waren.
»Gut. Legen Sie es dort drüben hin und auch alles andere, das aussieht, als hätte es einem Kind gehört. Wo wurde es
gefunden?«
Esmay konsultierte
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