Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel

Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel

Titel: Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Franke
Vom Netzwerk:
Abstand. Musste nachdenken. Das konnte er am besten zu Hause, wenn er durch den Iserlohner Stadtwald am Literaturhotel »Franzosenhohl« vorbei zum »Danzturm« lief und von dort den Rundblick über das Sauerland und den Hellweg genoss. Und sicher würde er an diesem Wochenende dort in einer ruhigen Stunde die Lösung für die Probleme finden, die ihn momentan einkesselten.
    Er gähnte.
    Die Ausfahrt Varel-Obenstrohe lag hinter ihm, die Geschwindigkeitsbegrenzung wurde aufgehoben. Er gähnte erneut, als er aufs Gaspedal drückte und hoffte, dass ihn die Konzentration, die die hohe Geschwindigkeit erforderte, wach halten würde.
    * * *
    »Was soll das, Lutz? Warum können wir nicht am Telefon miteinander reden? Und warum hast du nicht schon bei mir zu Hause gesagt, was Sache ist?« Nora Brandis war sauer.
    Das Gelände am Banter See, auf dem sie standen, sollte früher mal ein Surferparadies gewesen sein – wenn die schwärmerischen Erzählungen ihrer Eltern keine Übertreibungen waren. Denn heute gab es hier nichts mehr. Kein Badeparadies, kein Surferrefugium, keinen Kiosk. Nora hatte sich bei ihren bisherigen Verabredungen mit Lutz hier oft umgesehen und überlegt, wo ihre Mutter damals wohl den kleinen gusseisernen Kugelgrill aufgestellt hatte, auf dem sie mit der Clique Würstchen gegrillt hatten. Es musste eine nette, eine lässige Zeit gewesen sein.
    Auf dem See wurde zwar immer noch gerudert, gesurft, gepaddelt und geschwommen, doch dieses Gelände, das Lutz aus Gründen, die sie nie erfahren hatte, als ihren geheimen Treffpunkt auserkoren hatte, lag schon lange brach.
    Lutz strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, die gar nicht hineingefallen war. »Ich mag es nicht, wenn wir in fremder Umgebung miteinander reden«, sagte er.
    »Mein Zuhause ist keine fremde Umgebung«, widersprach Nora barsch. »Du kennst meine Eltern, sie kennen dich, und meine Mutter hat sogar den Raum verlassen. Wir hätten ganz vernünftig miteinander reden können. Was also soll der Quatsch?«
    »Ach Nora.« Lutz atmete schwer aus. Er griff nach ihrer Hand, wandte sich um und zog sie mit sich. »Lass uns ans Wasser gehen. Du musst doch verstehen, dass ich über all das nicht in den Räumen deiner Eltern mit dir reden kann. Über Fabian. Über meine Gefühle. In mir tobt das totale Chaos.«
    Sie traten ans Ufer, wo früher einmal ein Steg gewesen sein musste; es gab noch Überreste davon. In nicht allzu großer Ferne dümpelten mehrere Enten und ein Schwanenpaar auf dem klaren Wasser. Es wies keine Anzeichen jener Blaualgen mehr auf, die bei hochsommerlichen Temperaturen, fast regelmäßig zu Beginn der Ferien, immer wieder zu Problemen führten.
    »Lutz.« Nora spürte, wie ihre Wut herunterfuhr. Wie sich Verständnis für diesen Mann in ihr breitmachte. Immerhin hatte er seinen Sohn verloren. »Ich glaube dir, dass du am Ende bist, dass du nicht vernünftig denken kannst. Dass sich dir ständig die Frage nach dem Warum und ›Wer hat meinem Sohn das angetan‹ stellt.« Sie fuhr, beinahe zärtlich, mit ihrer Hand über seine tränennasse Wange. »Dennoch darfst du mit mir nicht so umgehen. Du kannst mich nicht einfach beschimpfen und dann gehen. Auch ich habe Fabi …« Geliebt, hatte sie sagen wollen, aber dieses Wort kam ihr nun doch nicht über die Lippen.
    Natürlich hatte sie Fabian geliebt. Anfangs. Ganz lange sogar. Doch Fabian hatte es übertrieben. Mit seinen vielen kleinen One-Night-Stands. Mit den Forderungen, die er an sie stellte. Das geht vorüber, hatte sie sich immer einzureden versucht, drei, fast vier Jahre lang. Aber was vorüberging, was weniger wurde, war ihre Liebe zu ihm.
    Irgendwann hatten die Treffen mit Lutz angefangen. Zunächst auf einen Kaffee. Mit Gesprächen, die Tiefe hatten, die ihren Intellekt ansprachen. Später hier, am See. Zwiegespräche im Auto, die die Basis der Neutralität verließen. Gedankenaustausch auf sehr persönlicher Ebene. Irgendwann waren sie von den Vordersitzen auf die Rückbank seines Kombis gewechselt. Hatten die körperliche Nähe des anderen gesucht, aneinandergeschmiegt dagesessen, sich Halt gegeben, wo ihre Partner keinen Halt geben konnten. Mehr nicht. Aneinanderschmiegen und festhalten. Das war viel mehr, als Fabian ihr in den letzten beiden Jahren gegeben hatte. Das war so viel mehr.
    Umso verletzter war Nora angesichts Lutz’ Auftreten in ihrem Elternhaus. »Also. Wo hast du die Pilze her?«, wiederholte sie die Frage, die er ihr am Telefon nicht hatte beantworten

Weitere Kostenlose Bücher