Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
Papiertonnen kontrolliere.«
Oda konnte nicht verhindern, dass ihre Augenbrauen ungläubig nach oben schossen, und sofort rechtfertigte sich der Mann: »Sie glauben ja gar nicht, was die Leute da alles reinschmeißen. Plastikverpackungen sind noch das Harmloseste. Da muss ich schon genauer hingucken, ich hab ja die Verantwortung für das Haus. Einmal hab ich sogar einen Lottoschein gefunden, auf dem vier Richtige angekreuzt waren. Aber Sie wollen ja wissen, was mit Kleen ist. Also, bei meinen Papiertonnenkontrollen hab ich natürlich auch die Skatzettel gesehen.«
»Die können Sie so ohne Weiteres zuordnen?«, fragte Oda verblüfft.
»Standen ja Namen drauf. Malte, VW und Fabi. Und es gibt nur einen, auf den das passt: Malte Kleen.«
»Ist nicht wahr.« Oda mochte es fast nicht glauben. Das war ja echt die Höhe. Ein Hausmeister, der den Mietern hinterherschnüffelte.
»Natürlich ist es wahr. Ich würde die Polizei doch nie belügen!«
»Jaja, schon gut. Ich meinte nur, dass es …« Oda suchte nach den richtigen Worten.
»Was meine Kollegin meint«, mischte sich Christine ein, »ist, dass wir selten einen so dienstbeflissenen Hauswart erleben.«
»Genau«, stimmte Oda zu. Das hatte sie ja eigentlich auch gemeint.
»Ach so.« Der Hausmeister wirkte besänftigt. »Ich hab schon gedacht, Sie würden mir Schnüffelei unterstellen.«
»Nein. Nie!« Oda bemerkte aus dem Augenwinkel Christines Schmunzeln. Ihre Kollegin musste sich offenbar selbst zusammenreißen, um ernst zu bleiben.
In diesem Moment freute sie sich, mit nur zwei anderen Parteien im Haus zu wohnen. Und ihr selbst war es reichlich egal, was ihre Nachbarn in die blaue Papiertonne warfen. Börners jedenfalls, die zur bekennenden Fraktion der Umwelt- und Gesundheitsfanatiker gehörten, sortierten garantiert alles so, wie es vorgeschrieben war.
Wahrscheinlich gab es im Haus nur zwei Personen, die – aus Versehen – was Falsches in den Korb für Altpapier werfen und das beim Entsorgen in die Tonne nicht merken würden: sie selbst und Alex.
»Dann ist es ja gut.« Der Hausmeister lief wieder zu alter Form auf. »Man muss immer ein Auge darauf haben«, sagte er im Brustton der Überzeugung. »Sonst geht es bald zu wie bei Sodom und Gomorrha. Aber die Mieter wissen, dass ich aufpasse, deshalb läuft alles. Ich hab früher schon zu Erziehungsmaßnahmen gegriffen und einem Mieter seinen Müll wieder vor die Tür gestellt.«
»Echt?« Das wurde ja immer besser.
»Ja. Wenn Sie regelmäßig die Tonnen kontrollieren, wissen Sie, was wem beziehungsweise welcher …, ich sag dazu einfach mal ›Entsorgungseinheit‹, zuzuordnen ist. Kleen ist aber einer derjenigen, die den Müll ordnungsgemäß trennen. Dem musste ich noch nichts vor die Tür kippen. Was wollen Sie denn eigentlich von ihm?«
»Mit ihm reden«, sagte Christine mit einem Lächeln, das jede weitere Frage sofort unterband.
»Na, da werden Sie sich bis Montag gedulden müssen. Kleen ist bei seiner Familie in Iserlohn.«
* * *
»Nora, was ist passiert?« Wieder einmal reagierte ihre Mutter völlig übertrieben, dabei war es an Nora, kurz vor einem Nervenzusammenbruch zu stehen.
»Lass mich!« Nora rannte an ihrer Mutter vorbei, schloss sich im Bad ein und übergab sich ein zweites Mal.
Was für ein Desaster. Der Mann, in dem sie in den letzten Jahren einen Mentor gesehen hatte und schließlich einen Freund, mit dem sie zwar geflirtet und den sie auch gereizt hatte, aber mit dem es wegen Fabian bei rein freundschaftlichem Körperkontakt geblieben war, hatte heute mehr von ihr gewollt. Das konnte doch nicht sein! Sah er sie wirklich als Hinterlassenschaft an, über die er nun verfügen konnte?
Der Brechreiz ließ nach, erschöpft lehnte sich Nora gegen den Rand der Badewanne. Sie müsste aufstehen. Einen Waschlappen unter den Wasserhahn halten und sich das Gesicht waschen. Sich die Zähne putzen. Aber dazu hatte sie keine Kraft.
Ihre Wange brannte. Sie hatte nicht verhindern können, dass ihr Mageninhalt nach außen schoss, als Lutz’ Hand ihre Kehle umklammerte und sein Mund sich ihrem näherte. Der Knall, als seine Hand auf ihre Wange traf, dröhnte immer noch in ihren Ohren. Ihr Kopf war beiseitegeflogen. Wie erstarrt war sie gewesen, hatte nicht fassen können, was geschehen war. Lutz hatte ihr den Schal von den Schultern gerissen und sich die Sauerei aus dem Gesicht und von der Jacke gewischt.
»Du verdammte Schlampe«, hatte er in einem so eisigen Ton gesagt, dass Nora Angst
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