Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
sie einige Minuten wortlos nebeneinanderher gelaufen. In dem Schweigen hatte kein Unbehagen gelegen, vielmehr eine Vertrautheit, die ohne Worte verband.
»Ich hab gehört, bei Malte hat man Drogen gefunden?«, fragte Nora.
Volker nickte. »Er scheint wohl K.-O. -Tropfen im Blut gehabt zu haben.«
» K.-O. -Tropfen?« Nora war überrascht. Sie hatte damit gerechnet, dass man Psilos oder aufputschende Mittel bei Malte nachgewiesen hatte, aber K.-O. -Tropfen?
»Ja. Das kapiert irgendwie keiner.« Volker steckte die Hände in seine Daunenjacke, während er weiterlief.
»Aber das deutet ja ganz klar auf Selbstmord hin«, sagte Nora erschüttert. »Hat man denn einen Abschiedsbrief gefunden?«
»Nein. Wohl nicht. Das ist ja das Seltsame. Ich hab noch mit ihm zusammengesessen, bevor er auf die Autobahn ist. Er hat erzählt, dass er sich auf die Frikadellen seiner Mutter freut. Stell dir das mal vor! Er schwärmt von den Buletten und ist keine zwei Stunden später tot.«
»Ich versteh das nicht«, sagte Nora und pfiff ihre Hündin zurück, die sich gerade in der Hinterlassenschaft anderer Hunde wälzen wollte. »Ist das wirklich ein Zufall?«
»Was meinst du damit?« Volker klang mit einem Mal überaus reserviert.
»Na hör mal. Fabian ist tot. Malte ist tot. Ihr drei wart doch eine Clique. Und nun sind zwei nicht mehr da. Das ist doch nicht normal.«
»Nein.« Volker sah Nora an, und sie erkannte die Angst in seinen Augen.
* * *
»Du hast schon wieder getrunken.« Lutz Baumann trat in die Küche. Überall im Haus war es dunkel, nicht einmal die Lampe im Flur hatte bei seinem Heimkommen gebrannt. Ute saß am Tisch, ein halb volles Glas vor sich, nur die Glühbirne der Dunstabzugshaube brannte. »Wo ist Saskia?«
Baumann hatte seine Tochter gebeten, sich um Ute zu kümmern, aber Saskia war immer schon ein sehr egozentrischer Mensch gewesen, genau wie Fabian. Ute hatte die Kinder zu sehr verwöhnt, sie immer in den Mittelpunkt gestellt, ihnen alles abgenommen und ihnen das Gefühl gegeben, sie seien der Nabel der Welt. Als Ute angefangen hatte, sich darüber zu beschweren, dass die Kinder sie nicht unterstützten, waren sowohl Saskia als auch Fabian schon mitten in der Pubertät gewesen. Es hatte Streitigkeiten gegeben. Ute hatte ihm vorgeworfen, die Schwierigkeiten kämen allein daher, dass er so wenig zu Hause war. Lutz hatte ihr daraufhin auf den Kopf zu gesagt, dass sie sich bei ihrer Art der Erziehung überhaupt nicht wundern dürfe, dass die beiden Egoisten geworden waren. Dennoch hatte Lutz erwartet, dass Saskia ein Gespür für Utes seelische Nöte hatte und sich um sie kümmerte. Er würde sich seine Tochter später vorknöpfen.
»Die lässt sich von ihrem Freund trösten. Willst du auch ’nen Rotwein?« Ute kippte sich den Rest des Glases in den Mund und stand auf. Die Art und Weise, wie sie sich bewegte, sprach und gestikulierte, bestätigte seine Vermutung, dass Ute bereits einiges intus hatte.
»Nein. Alkohol ist keine Lösung«, sagte er barsch.
»Na und? Andere Leute schlucken Pillen, ich trink Rotwein. Ist doch viel harmloser«, behauptete Ute, goss sich demonstrativ ein weiteres Glas ein und ließ sich ungelenk auf ihren Stuhl fallen. Lutz sah sich um. Der Küchenfußboden, der sonst so reinlich war, dass man buchstäblich davon hätte essen können, war seit einigen Tagen weder gewischt noch gefegt worden, dafür standen verdammt viele leere Rotweinflaschen neben dem Chrombehälter, in dem der gelbe Sack steckte.
»Ute.« Er zwang sich, nicht zu schroff mit seiner Frau umzugehen. Sie befanden sich in einer Extremsituation. Ihr Sohn war tot, und jeder von ihnen litt auf seine ureigene Weise. Leider konnten sie einander nicht trösten; in Ute kochte unterschwellig eine Suppe, in der, warum auch immer, Hass eine Hauptzutat war. Lutz versuchte, alles, was Ute vorbrachte, auf ihren großen Schmerz zurückzuführen, aber das gelang ihm nicht jeden Tag.
Auch heute musste er sich zusammenreißen, um sie nicht durchzuschütteln.
»Hör auf mit dem Trinken.« Er ging zum Tisch, um ihr das Glas fortzunehmen, aber Ute griff schnell danach und schmiss es dabei um.
»Idiot!«, schrie sie und wollte die Scherben mit der Hand zusammenfegen, dabei schnitt sie sich jedoch in den Handballen, sodass sich ihr Blut mit dem Rotwein auf dem Tisch vermischte. Sie heulte auf und fegte mit der verletzten Hand die Scherben vom Tisch. Dann stützte sie die Ellenbogen auf und verbarg ungeachtet ihrer Verletzung ihr
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