Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
Sondern sich mit Fragen herantasten. Dass Angst Volkers Herz umschließt, ihm die Luft zum Atmen nimmt.
Und dass er nicht sofort erkennt, dass die Polizei ein anderes Foto erhalten hat als er.
Es ist ein Spiel mit zwei Bällen. Jeder für sich birgt Zündstoff genug. Und ich bin gespannt, welcher zuerst explodiert.
Mittwoch
»Bevor wir noch mal zum Marinestützpunkt rausfahren, sollten wir einen kurzen Brainstorm machen«, bat Christine Oda. »Ist Siebelt da?«
Sie war sehr früh aufgewacht an diesem Morgen. Ihre Gedanken waren ab vier Uhr wieder einmal wild durcheinandergewirbelt. Aber es war kein konfuses Wirbeln gewesen, sondern ein Sog, der sich mehr und mehr in eine Richtung drehte. Und diese Richtung sprach leider nicht für Carsten. Das stellte sie zwar mit einer gewissen Wehmut fest, aber auch mit einem völlig neuen Selbstwertgefühl. Sie konnte selbst Entscheidungen in ihrer Beziehung treffen. Brauchte sich nicht mehr von denen ihrer Partner überrollen zu lassen, nur weil sie zu zögerlich war, aus Dingen, die unübersehbar waren, die Schlussfolgerungen zu ziehen.
In ihrer Ehe mit Frank war vieles nicht rundgelaufen, das hatte sie rückblickend erkannt. Sie hätte aktiv werden, eingreifen, Kompromisse schließen und verhandeln können. Vor allem aber hätte sie rechtzeitig Position beziehen müssen.
Dieses Rechtzeitige übte sie nun. Noch konnte sie einen Schlussstrich ziehen, bevor ihr Herz erneut mit allen Fasern an einem Mann hing, der es nicht verdient hatte. Carsten wollte sie vertrösten, doch wenn sie dem stattgab, würde es nicht aufhören. Gründe genug gäbe es immer, um ihre Beziehung vor Silvia und den Kindern geheim zu halten. Es hatte sie mehrere schlaflose Nächte gekostet, doch letztlich war sie zu der Erkenntnis gelangt, dass ihr Bauch wusste, was ihr guttat und was nicht.
Und definitiv nicht gut war es, sich in den Gesprächen mit Carsten zu verbiegen, wenn es darum ging, Verständnis für seine Verzögerungstaktik zu zeigen. In diesem Punkt beneidete Christine Oda, die immer so frei, wie ihr der Schnabel gewachsen war, ihre Meinung sagte.
Deren Antwort riss sie nun aus ihren Gedanken. »Nö. Noch nicht. Der kommt erst gegen zehn, hab ich auf seinem Terminplan gesehen.«
»Dann lass uns zu Nieksteit und Lemke gehen«, schlug Christine vor. »Ich möchte gern noch einmal all das zusammentragen, was in jedem von uns seit gestern abgelaufen ist.«
»Hä?«
Christine ignorierte Odas übertrieben verständnislosen Gesichtsausdruck. Sie war sicher, jeder von ihnen hatte über das Foto und die möglichen Motive nachgedacht, die hinter der Übersendung und der Verfremdung des Bildes standen.
»Meine Güte, du bist heute aber auch begriffsstutzig«, erwiderte sie ungewohnt schroff. Da überlegte sie neben all dem privaten Kram, der sie beschäftigte, wie eine Blöde, und Oda tat so, als ob weder die beiden toten jungen Männer noch dieses Foto sie aus dem Gleichgewicht bringen konnten. Dabei hatte sie doch selbst einen Sohn, der altersmäßig nicht weit von Fabian Baumann und Malte Kleen entfernt war. »Ich will wissen, was euch – uns allen – noch zu diesem Foto eingefallen ist.«
»Mann, du bist aber gereizt«, stellte Oda fest, »haste grad Stress mit Steegmann?« Nach wie vor weigerte sie sich, Carsten einfach nur Carsten zu nennen, selbst wenn sie untereinander über ihn sprachen. Christine hegte den dumpfen Verdacht, dass das nicht nur daran lag, dass Oda Carsten im Alltag siezte, sondern vielmehr daran, dass sie ihn einfach nicht mochte.
»Weißt du, das hat jetzt überhaupt nichts mit dem Fall zu tun«, gab sie zurück. Christine vermutete, dass ihr Tonfall etwas zickig klang, doch das war ihr in diesem Augenblick egal. Sie stiefelte hinüber in das Büro der Kollegen, die in Anbetracht von Christines Forschheit überrascht aufblickten. »Ich will wissen, was euch noch zu dem Foto eingefallen ist«, sagte sie ohne weitere Einführung.
»Was willst du?«, fragte Nieksteit entgeistert und machte auf sie dabei einen leicht trotteligen Eindruck. »Das haben wir doch gestern schon gesagt. Hast du nicht mitgeschrieben? Soll ich dir ein Gedächtnisprotokoll schicken?«
»Ich möchte einfach wissen, was euch nach Feierabend noch durch den Kopf gegangen ist. Ich jedenfalls habe noch lange darüber nachgedacht und weigere mich zu glauben, dass ihr eure berufliche Neugier bei Dienstschluss an der Pforte abgegeben habt.«
Nieksteit lachte, stand auf und drückte Christine einen
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