Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
leicht keine Lösungsmöglichkeiten von anderen an.
»Es könnte zwar so sein, aber einen kleinen Haken gibt es an deiner Geschichte.«
Christine runzelte die Stirn. »Ja?«
»Das wäre alles total überzeugend, und ich würde auch sofort unseren lieben Staatsanwalt hier bitten, Haftbefehle auszustellen, wenn nicht auch Malte Kleen tot wäre.«
»Das war ein Autounfall, Oda«, erinnerte Christine ihre Kollegin.
»Ja, sicher. Das war ein Autounfall. Doch bei Kleen wurden K.-O. -Tropfen nachgewiesen. Das lässt mich ein wenig daran zweifeln, dass es wirklich ein Unfall war.«
»Ein Suizid könnte es auch gewesen sein.«
»Natürlich«, stimmte Oda nachsichtig zu. »Das ist ganz sicher möglich. Aber ich kann den Gedanken nicht beiseiteschieben, dass es nicht so war. Wenn deine Theorie stimmt und Malte Kleen gemeinsam mit der anderen Person auf dem Foto den Mord geplant hat, um Fabian Baumann loszuwerden, und sie es auch so erfolgreich erledigten, warum sollte er sich danach umbringen? Ich habe das dumpfe Gefühl, dass da noch jemand herumläuft, der mit mindestens einem der beiden Todesfälle zu tun hat.«
* * *
Ich hätte nicht herkommen sollen, dachte Nora, als sie zu viert um den Esstisch im Hause Baumann saßen und über Fabian redeten. »Wo ist Saskia?«, hatte sie gefragt, doch Lutz hatte erklärt, dass seine Tochter glaubte, nicht die Kraft für ein Trauergespräch zu haben, und zur Fachhochschule gegangen war.
Nora fühlte sich unwohl. Nein, sie gehörte hier nicht her. Nicht mehr seit dem Streit mit Fabian. Und so wie Lutz sich ihr gegenüber verhielt, war es fast schon eine Provokation für Ute. Er sollte seine Frau in den Arm nehmen, nicht sie. Warum sie ihren Vorsatz, das Baumann’sche Anwesen zu meiden, gebrochen hatte, wusste sie nicht. Vielleicht war es wirklich der Wunsch gewesen, Ute zur Seite zu stehen, gerade weil Lutz sich ihr gegenüber beim letzten Treffen so widerwärtig verhalten hatte. Oder gab es doch diese eigenartige Anziehungskraft, die sie hierher, zu ihm zog? Dabei hätte sie ihn vorhin am liebsten von sich gestoßen, als er sie dreist von hinten umarmt und ihr die Tränen abgewischt hatte. Aber sie spürte auch die Trauer in Lutz und das Bemühen, sich keine Blöße zu geben, keine Schwäche zuzulassen. Vielleicht war sie deshalb gekommen, weil sie das Bedürfnis hatte, beiden beizustehen. Ganz egal, es war ein Fehler gewesen. Utes spitzer Mund war nicht allein vor Trauer verzogen, wie Nora den kleinen Seitenhieben entnahm, die Ute losließ, wenn Lutz von Fabian erzählte. Jetzt gerade wieder, Lutz sprach über Fabians Pubertät, davon, wie begeistert er vom Fechtsport gewesen war.
»Ach was«, fuhr Ute dazwischen, »das kannst du überhaupt nicht beurteilen. Du warst so viel auf See, du hast das alles gar nicht richtig mitbekommen.«
Lutz sog die Luft ein, wollte augenscheinlich zu einer scharfen Antwort ansetzen, besann sich aber und bat seine Frau: »Na, dann erzähl du. Du hast recht, ich war wenig daheim.«
Es klang wie eine Entschuldigung für den Geistlichen, der neben Nora den Baumanns gegenübersaß. Er war ein kleiner Mann mit Kugelbauch und einer angenehmen Stimme, die man ihm so gar nicht zugetraut hätte. Und er schien Übung zu haben im Umgang mit Menschen, die in solchen Situationen nicht besonders liebevoll miteinander umgingen. Während Ute erzählte, suchte Lutz die dazu passenden Fotos heraus.
»Ich möchte, dass sie bei der Trauerfeier im Hintergrund gezeigt werden«, sagte er, als Ute zwischendurch innehielt. »Jeder soll sehen, was für ein prachtvoller junger Mann Fabian gewesen ist.«
»Das halte ich für keine gute Idee«, gab der Geistliche zu bedenken. »Suchen Sie sich ein schönes Foto aus, das stellen wir in Vergrößerung vorn neben den Sarg. Aber nehmen Sie Abstand von einer Fotoshow. Es wird ohnehin schwer genug für Sie.« Er wandte sich an Nora. »Sie haben den Verstorbenen als Partner erlebt, Frau Brandis. Lassen Sie mich Fabian Baumann in dieser Rolle kennenlernen, erzählen Sie von Ihrer Beziehung.«
Ich hätte damit rechnen müssen, dass so eine Frage kommt, dachte Nora. »Wie war er als Partner …«, wiederholte sie und fühlte sich sowohl von Ute als auch von Lutz beobachtet. Warum starrten die sie so an? »Er war immer für eine Überraschung gut«, sagte sie und umschrieb damit, dass er teilweise übers Ziel hinausgeprescht war. »Gerade in der letzten Zeit. Als müsste er etwas aufholen. Er kam auf die verrücktesten Ideen.
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