Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
Aber er war auch liebevoll und zärtlich, und er hatte einen ausgeprägten Beschützerinstinkt.«
Sie wollte lieber nicht sagen, dass Fabian fordernder geworden war, sie zu Dingen hatte treiben wollen, die sie ablehnte, während seine Eifersucht in der letzten Zeit stärker geworden war. Dass sie ihm Rede und Antwort hatte stehen müssen, was sie mit wem gemacht hatte.
»Schildern Sie doch einfach eine typische Situation Ihres Zusammenseins. Es wird da doch sicher eine ganze Menge geben.«
Oh ja, dachte Nora. Zum Beispiel unseren letzten Streit, da kam der arrogante Egozentriker, der zunächst nur sich selbst sah und von anderen erwartete, ihn an erste Stelle zu setzen, sehr deutlich zum Vorschein.
Richtige Angst hatte sie da verspürt.
»Ja, natürlich«, sagte sie stattdessen und erzählte von dem Tag, an dem er ihr das kleine Büchlein geschenkt hatte. Dabei kam sie sich wie eine Lügnerin vor.
* * *
»Ich geh mit raus«, sagte Nora, als sie sich vom Geistlichen verabschiedeten. Ute fand, das war eine gute Idee. Sie wollte die Jüngere nicht mehr im Haus haben, wollte nicht sehen, wie Lutz um sie herumbalzte. Das war geschmacklos. Sein Sohn war tot, und er machte dessen Freundin an. Während sie die Trauerfeier besprachen! Dreister ging es ja wohl kaum.
»Bleib noch einen Augenblick«, bat Lutz denn auch und sah Nora mit einem Blick an, den Ute schon lange nicht mehr von ihm bekommen hatte. Sie schob sich dazwischen.
»Ich kann dich verstehen«, sagte sie und reichte Nora die Jacke. »Geh du mal. Es ist auch für dich nicht leicht. Da musst du nicht auch noch mit uns rumsitzen.« Sie sah die Erleichterung in Noras Gesicht.
»Danke.« Nora schlüpfte in ihre Jacke, nahm Ute zur Verabschiedung kurz in den Arm und eilte dem Geistlichen hinterher, bevor Lutz sich ebenfalls auf diese Art von ihr verabschieden konnte. Das tat Ute gut. Sie schloss die Tür. Lutz hatte sich bereits umgedreht und lief ins Esszimmer. Ute ging hinterher.
»Schämst du dich eigentlich überhaupt nicht?«, fragte sie ihren Mann, der die Foto-Ordner auf dem Tisch zusammenklappte und nach oben tragen wollte.
»Wofür sollte ich mich schämen?« Lutz machte ein unschuldiges Gesicht.
»Über die Art, in der du Nora hinterherhechelst?«
»Verschon mich mit deiner Eifersucht.« Lutz wollte an ihr vorbei, doch sie versperrte ihm den Weg.
»Oh nein, mein Lieber, so einfach kommst du mir nicht davon. Als ich das das letzte Mal angesprochen habe, war ich zugegebenermaßen zu betrunken. Aber ich hab es mir nicht eingebildet, auch wenn du inzwischen dein Handy wie deinen Augapfel hütest. Also: Was läuft da zwischen euch?«
»Sag mal, bist du bescheuert? Da läuft nichts. Nora ist die Freundin unseres verstorbenen Sohnes! Und so wie ich mich um dich und Saskia kümmere, kümmere ich mich eben auch um Nora. Sie hat immerhin ihren Partner verloren.« Lutz wollte sie beiseiteschieben, doch Ute stemmte sich in die Tür.
»Und du deinen Sohn, verdammt noch mal!« Jetzt konnte sie nicht mehr verhindern, dass sie laut wurde. »Wo ist denn deine Trauer, wo weinst du denn um Fabian? Warum habe ich das Gefühl, dass dir sein Tod gar nicht ungelegen kommt? Ist der Weg zu Nora jetzt frei? Willst du dich nach einer angemessenen Trauerzeit von mir scheiden lassen und ganz offen eine Beziehung zu ihr haben? Glaubst du, dass sie dich alten Sack überhaupt haben will?« Utes Stimme überschlug sich. »Hast du dir dafür diese kleinen blauen Pillen besorgt?« Sie sah, dass Lutz blass wurde.
»Du schnüffelst in meinen Sachen.« Er legte die Ordner zurück auf den Tisch und kam beinahe drohend auf sie zu. Ute schluckte. Das hätte sie wohl besser nicht gesagt.
»Ich hab nur Tabletten gesucht«, sagte sie zu ihrer Entschuldigung und wich einen Schritt zurück. Trotzig fügte sie hinzu: »Weil du nicht da warst.« Der Vorwurf klang deutlich heraus. »Fass mich nicht an«, riet sie ihm, als er schon nach ihrem Oberarm greifen wollte. »Wenn du glaubst, ich würde mich von dir so einfach abservieren lassen, hast du dich getäuscht. Ich werde die Polizei darüber informieren, dass du an dem Abend, als Fabi starb, nicht zu Hause warst. Heute, kurz bevor der Geistliche kam, fiel mir ein, dass du später am gleichen Abend noch deine Sachen gewaschen hast. Ich werde der Polizei außerdem berichten, dass du scharf auf Fabis Freundin bist. Ist ja nicht das erste Mal, dass ein Vater seinem Sohn die Freundin ausspannt. Ich hab doch mitgekriegt, wie sehr ihr zwei euch
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