Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
einen gewissen Reiz aus, auszuloten, wann dir bewusst wird, wer dahintersteckt. Wie du dann wohl reagierst? Offensiv? Bist du bereit, aktiv um deine Zukunft zu kämpfen? Wärst du dazu auch in der Lage? Ich würde keine Wette darauf abschließen.
Morgen, Volker. Morgen geht das Spiel weiter.
* * *
Der Anblick schnitt ihr ins Herz. Sie wunderte sich, dass sie das überhaupt noch wahrnehmen konnte, wo ihr Herz doch offen und wund war, als würden Chirurgen bei einer großen OP daran arbeiten.
Ute Baumann hatte die Türklingel gehört, gerade als sie den letzten Bürstenstrich gemacht hatte. Sie war es gewohnt, sich innerhalb kürzester Zeit vorzeigbar herzurichten, das war jahrzehntelange Übung. Auch nach dem Tennis schaffte sie es innerhalb von zwanzig Minuten zu duschen, die Haare zu föhnen, sich zu schminken und so aus dem Umkleideraum zu treten, als hätte sie keine Stunde Sport hinter sich.
Natürlich hatte sie Nora gesagt, sie könne bei dem Gespräch dabei sein, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie tatsächlich kommen würde. Es eigentlich auch nicht gewollt.
Als sie durch die geöffnete Badezimmertür Noras Worte gehört hatte, dass sie sie unterstützen, sie nicht alleinlassen wollte bei einem solchen Gespräch, vor allem aber, als sie Noras zurückhaltende Überraschung vernommen hatte, darüber, Lutz anzutreffen, war ihr Unmut der jungen Frau gegenüber verebbt. Konnte es sein, dass Nora in der Beziehung zu Fabian die Unterlegene gewesen war? So wie sie selbst in ihrer Beziehung zu Lutz? War Fabian seinem Vater ähnlicher, als Ute es jemals hatte sehen wollen? Obwohl sie noch keinen Lippenstift trug, hatte sie hinuntergehen, Nora umarmen und willkommen heißen wollen.
Sie war die Treppe bereits zur Hälfte hinabgelaufen, als der Blick ins Esszimmer frei geworden war. Sie hatte gesehen, wie Lutz auf Nora zutrat. Wie er die Arme um sie legte, sie an sich zog, zu sich umdrehte und ihr zärtlich die Tränen von der Wange wischte. Bei diesem Anblick hatte sich jener Strang ihres Herzens aufgelöst, der trotz allem noch immer die Verbindung zu Lutz gehalten hatte. Jeder Kraft beraubt, sackte sie auf der Treppe zusammen, nicht einmal in der Lage, wütend auf ihren Mann loszugehen, auf ihn einzuschlagen, ihn anzuschreien. Da war nur ein Vakuum. In dem eine Erinnerung aufblitzte.
Natürlich, warum hatte sie daran bislang nicht gedacht? Das war doch nicht unwichtig.
Es klingelte erneut.
Ute sah, dass Lutz von Nora abließ und die Tür öffnete. Sie biss die Zähne zusammen, stand auf und lief die restlichen Stufen hinab. Sie würde mit ihm darüber reden müssen.
* * *
Der Regen hatte nachgelassen. Gemeinsam mit Carsten saß Christine in der Parkstraße bei »Fernanduo«. Sie teilten sich ein warmes Ciabatta mit Salat, italienischem Schinken und gehobeltem Parmesan und tranken Kaffee dazu. Christines Regenschirm stand an der Seite, sie durfte ihn später nur nicht vergessen, es war ein ganz besonderes Stück. Mitgebracht aus einem Kanada-Urlaub, passte er mit seinem Laubdesign perfekt in die herbstliche Jahreszeit.
»Das ist doch merkwürdig mit dem Foto«, sagte sie und wischte sich mit der Serviette die letzten Krümel vom Mund. »Was soll so was? Welche Absicht steckt dahinter?«
»Na, die Absicht ist doch wohl klar. Da will euch jemand auf etwas hinweisen. Die Frage ist: Worauf? Ihr geht davon aus, dass es sich um eine sexuelle Handlung dreht. Sofern es keine Montage ist, heißt das. Es kann also sein, dass der Soldat gerade mit jemandem Geschlechtsverkehr hatte und dabei fotografiert wurde.«
»Nieksteit vermutet, es könnte deshalb bearbeitet worden sein, weil der Absender den Sexualpartner schützen möchte.«
»Du sagst, Wilken habe eingeräumt, dass der Soldat auf dem Foto Malte Kleen sein könnte?«
»Ja. Aber eher ungern.«
»Kleen ist tot. Lassen wir für einen Moment mal die Umstände seines Todes außer Acht, gehen wir nur davon aus, dass er tatsächlich der Mann auf dem Bild ist. Dann tauchen zwangsläufig einige Fragen auf. Erstens: Offenbar hält irgendjemand etwas an dem auf dem Foto verewigten Sexualakt für bemerkenswert, sonst hätte er es euch nicht geschickt. Wenn es also keine Fotomontage ist, wäre es interessant, zu wissen, wer die andere Person ist.«
»Da sind wir aber leider noch nicht weiter. Und es ist auf der Aufnahme ja auch nicht zu erkennen. Von der Besatzung kam bislang nichts, wir haben Wilken gebeten, das Foto auch seinen Kameraden zu zeigen.«
»Es
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