Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
zwar nicht so ganz geglückt, aber immerhin war letztlich sie diejenige gewesen, die die Scheidung eingereicht hatte. Bei Carsten lag der Fall zudem gänzlich anders. Sie waren weder verheiratet, noch lebten sie in einer gemeinsamen Wohnung. Und wenn er Weihnachten so sah, wie er es ihr zu verstehen gegeben hatte, dann war das ein klares Signal dafür, dass sie auf der Liste seiner Wertigkeiten ziemlich weit unten stand. Von daher war es besser, jetzt gleich einen Schlussstrich zu ziehen, bevor sie noch mehr Gefühl investierte, das nicht erwidert wurde.
Sie zog die Bettdecke hoch und versuchte erneut, sich auf den Roman zu konzentrieren. Als sie jedoch Mühe hatte, die Augen offen zu halten, legte sie das Buch auf den Nachttisch und löschte das Licht. Kurz darauf, in jenem Moment, der das Wachsein vom Schlaf trennte, fiel ihr ein, wer die andere Person auf dem Foto gewesen sein musste.
* * *
Ich würde viel drum geben, zu wissen, was die Polizei denkt. Doch man kann nicht alles haben. Ich werde ja die Resultate sehen. Und die Zwischenschritte mitbekommen. Das tut mir gut.
Fast habe ich den Eindruck, dass du noch nicht wirklich weißt, nicht wahrhaben willst, was auf dich zukommt, Volker. Die Zerstörung deiner Zukunft. Dabei kannst du doch jetzt schon die kleinen Explosionen sehen, die auf den großen Knall hinweisen, der dein Leben zerstören wird. Es ist überaus reizvoll, dich in den letzten Tagen zu beobachten, Volker. Ich glaube nicht, dass du so ahnungslos bist, wie du tust. Ich glaube, du willst die Wahrheit nicht zulassen.
Doch du wirst sie zulassen müssen.
Nicht mehr lange, Volker. Nicht mehr lang. Eeene, meene, meck. Dann bist du weg.
Donnerstag
»Machst du mir bitte auch einen Kaffee?«, rief Oda bei geöffneter Badezimmertür quer über den Flur. Sie kam gerade aus der Dusche und schlang ein Badetuch um ihren Körper, bevor sie sich mit einem weiteren Handtuch die Haare trocken rubbelte. Jürgens Tochter Laura hatte die Wohnung vor einer Viertelstunde verlassen, und Oda war sich wieder einmal sehr des Privilegs bewusst, nicht nach der Stechuhr arbeiten zu müssen. Jetzt war es Viertel vor acht und die Luft rein. Also frei von heranwachsenden Kindern, die es ja in jeder ihrer beiden Wohnungen gab. Die gestrige Nacht hatte Oda bei Jürgen verbracht; das war normalerweise unter der Woche nicht der Fall, aber Ausnahmen bestätigten bekanntlich die Regel. Außerdem hatte Oda für sich beschlossen, dass Alex nun alt genug war, nicht nur seinen eigenen Wecker zu stellen, sondern ihn auch zu hören. Sie kam sich nur wenig stiefmütterlich vor bei dem Gedanken, dass ihr Sohn allein aufstehen und seine Frühstücksbrote selbst schmieren musste. Es waren ja auch keine Berge von Broten; Alex hatte heute nur zwei Unterrichtsstunden, wobei die erste eigentlich die dritte Schulstunde war und erst um halb zehn begann. Laura jedoch musste zur ersten Stunde da sein, eine Tatsache, die Jürgen und sie nur zu gern auskosteten. So hatten sie heute ein gemeinsames Frühstück eingeplant und neun Uhr als Dienstbeginn angepeilt.
Nur mit dem Badetuch bekleidet, lief Oda in die Küche, angelockt durch eine köstliche Duftmischung aus Kaffee und geröstetem Toastbrot. Sie drückte Jürgen einen Kuss auf den Mund, griff noch im Stehen zu ihrem Becher und genoss es, den ersten Schluck die Kehle hinunterrinnen zu spüren. »Ach, was geht es uns gut«, sagte sie und setzte sich Jürgen gegenüber, der im Gegensatz zu ihr schon fix und fertig angezogen war.
»Ja«, bestätigte er, biss von seinem Käsetoast ab und ergänzte mit vollem Mund: »Aber es könnte noch besser sein, wenn du dein Handtuch fallen lassen würdest.« Dabei grinste er spitzbübisch.
»Jürgen!« Dass dieser Ausruf keine wirkliche Rüge war, war an Odas kehligem Tonfall deutlich zu hören.
»Ich würd jetzt gern …« Jürgen ließ den Satz unvollendet, streckte unter dem Tisch sein noch sockenfreies Bein aus und näherte sich mit dem Fuß Odas Handtuch. Beziehungsweise dem, was darunter war.
»Ich würd auch gern.« Oda grinste ihn bedauernd an.
»Meinste nicht, für einen Quickie haben wir noch Zeit? Ich räum auch schnell den Küchentisch frei.« Jürgen blinzelte übertrieben, und Oda lachte.
Eine gute Stunde später saß sie an ihrem Schreibtisch und sah die Postmappe durch. Ein Umschlag ohne Absender war dabei. Bevor sie ihn anrührte, griff sie zum Telefon und rief erst Manssen, dann Christine an. »Ich glaube, wir haben Post von unserem
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