Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
Donau. Die Sonne stand schon sehr nah über dem Wasser. Es war ein warmer Spätsommertag. Droch fuhr gut. Was hatte ich erwartet? Er benutzte eine Handschaltung, gab Gas und bremste mit einem Hebel. Er parkte vor der Schmalseite eines Restaurants. Ich stieg aus und wusste nicht, was ich tun sollte. Angestrengt und angeblich interessiert beobachtete ich eine Mutter mit ihren zwei kleinen Kindern und einer großen Strandtasche, die gerade den Fußweg heraufkam. Alle drei hatten einen leichten Sonnenbrand im Gesicht. Das größere Kind gähnte. Ein Badetag an der Donau ging zu Ende. Fast konnte ich das Prickeln auf der Haut selbst spüren.
»Sie müssen nicht wegsehen. Ich pinkle nicht, ich hieve mich bloß in den Rollstuhl«, tönte es herüber.
Ich war irritiert und beschloss, es nicht mehr zu sein. »Ich habe nur meine wehen Knochen gezählt.«
»Noch alle da?«
»Und wie.«
Da war er neben mir. Ich ging langsam neben ihm her. Wenn er wollte, dass ich ihn schob, würde er es mir schon sagen.
»Sie werden mit meiner Behinderung schon fertig«, spottete er.
»Ja, ich kann Sie einfach in die Donau rollen.«
Droch lachte. Ich hatte ihn noch nie so gelöst gesehen. »Hier bin ich früher gerne hergekommen. Lange vor Ihrer Zeit. Da gab es bloß ein altes Wirtshaus, aber jede Menge Platz zum Liegen und Schwimmen.«
Ich schwieg. Was hätte ich darauf sagen können? Selbst wenn mir etwas eingefallen wäre, hätte es die neue Vertrautheit mit Droch stören können.
Ein später Nachmittag mit Droch an der Donau. Man kannte ihn in dem Lokal, schob Sessel zur Seite und gab uns einen Tisch direkt am Wasser. Die Donau glitzerte.
»Sie sind hier …«
»Der Besitzer ist der Sohn des Mannes, dem das alte Wirtshaus gehört hat.«
Wien war doch eine schöne Stadt.
Ein Glas Weißwein später kamen die blauäugige ehemalige Wahlkampfmitarbeiterin und die Frau, die mich in der Bar angeredet hatte. Beinahe ehrfurchtsvoll begrüßten die beiden Droch. »Sie werden sich nicht erinnern, ich war in Ihrer Vorlesung über die Rezeption von Politik in den Massenmedien«, sagte die Blauäugige. Ich sah Droch von der Seite an. Also nicht nur Held, sondern auch Gastprofessor.
Eine halbe Stunde später hatte die Blauäugige alles erzählt, was ich bereits wusste. Orsolics und Fischer hätten Bellini-Klein erledigt – so oder so. Vogl war für sie das Opfer machtgieriger Berater. Immer unterwegs, täglich 18 Stunden für eine neue Politik. Einer, der es endlich anders machen wollte. Droch verzog nur hin und wieder spöttisch die Oberlippe. Das aber bemerkte nur ich.
Das Lokal füllte sich. »Was hat Bellini-Klein konkret gemacht?«, fragte Droch. »Bitte keine Einschätzungen, keine Bewertungen. Schildern Sie mir nur, was Sie wissen. Alle Details.«
Es stellte sich heraus, dass die Blauäugige Bellini-Klein sehr intensiv beobachtet hatte. »Er hat den gesamten Computereingang überwacht. Sämtliche Mails und Disketten gingen über seinen Schreibtisch, bevor sie den einzelnen Arbeitsgruppen zugeteilt wurden.«
»Er hat alles gesehen?«, fragte ich nach.
»Ja …« Die ehemalige Mitarbeiterin des Hauptquartiers stutzte. »Da fällt mir ein, es gab sogar einmal einen Streit deswegen. Chloe Fischer wollte nicht, dass er auch die elektronische Stabspost in die Hände bekam. Sie wollte ihm den Zugriff auf gewisse Dateien sperren lassen. Aber der Computertechniker, der das checken sollte, kam erst am Abend. Chloe Fischer war mit Vogl unterwegs, und Bellini-Klein verbot dem Techniker, etwas zu ändern. Also hat er nichts geändert. Ich habe noch gearbeitet, und Bellini-Klein hat mir gesagt, dass er es nicht hinnehmen würde, von dieser Frau ausgebootet zu werden. Immerhin sei er der Koordinator und direkt von Vogl eingesetzt. Und ein Koordinator müsse eben den maximalen Informationszugang haben.«
»Und stimmt es, dass Vogl ihn eingesetzt hat?«
Die Frau zuckte mit den Schultern. »Ich habe es ihm geglaubt. Und er kannte sich mit Computern perfekt aus. Er hat sogar etwas installiert, damit Chloe Fischer nicht merkte, dass er ihre Dateien schon gelesen hatte. Zumindest hat sie sich nie mehr beschwert. Aber ich habe gesehen, dass er alles gelesen hat.«
»Nur die Sachen von Fischer oder auch von den anderen?«
»Von allen anderen auch. Deswegen verbrachte er auch die meiste Zeit vor dem Computer.«
»Wer hat noch Zugang zu allen Dateien?«
»Ich weiß nicht … Vieles ist aufgeteilt. Chloe Fischer und Johannes Orsolics sicher. Der
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