Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
wichtigen Dateien brauchte man sicher Passwörter. Wie sollte ich an die herankommen? Ich konnte mit meinem PC tadellos umgehen, aber wie man Passwörter umschiffte, war mir fremd. Für mich war der Computer ein brauchbares Schreibgerät, nicht mehr. Und außerdem: Ich würde es nicht tun können. Die Dateien im Hauptquartier auf Disketten zu laden, würde Zeit brauchen. Vielleicht konnte uns die Schreibkraft helfen. Nein. Sie war zwar bereit, einiges zu erzählen, aber das war ja Datenklau. Droch würde dagegen sein. Aber jetzt wollte ich es wissen.
Ich klopfte in der Redaktion meine Story eher lieblos herunter, wartete auf das Okay und ging. Ein Computerexperte. Verlässlich. Einen, den ich einweihen konnte. Vergiss es. Ich würde es selbst machen müssen. Aber ich konnte so etwas nicht. Verdammt. Als ich nach Hause kam, wartete Droch in seinem Auto auf mich. Ich versuchte ihn zu übersehen. Von meinem Vorhaben durfte er nichts erfahren. Droch riss die Tür auf und sagte: »Steigen Sie ein.«
[ 9 ]
Ich setzte an, um zu widersprechen, machte jedoch den Mund wieder zu und stieg ein.
»Sie sind auf einer Spur, und Sie sind mir den ganzen Nachmittag ausgewichen. Was haben Sie vor?«
»Ich hatte zu tun.«
»Sie haben Ihre Story abgeliefert. Und Sie haben das Feuerzeug. Was planen Sie?«
Ich schüttelte den Kopf. »Lassen Sie mich doch in Ruhe. Ich bin müde.«
Droch sah mich ohne jede Freundlichkeit an. »Dann sind Sie ab sofort auf sich allein gestellt.«
»Das will ich auch sein.«
»Steigen Sie aus.«
Ich legte meine Hand auf den Türgriff.
»Steigen Sie aus.«
Ich sah ihn nicht an.
»Raus.«
Ich drückte den Türgriff langsam nach unten.
»Ein Krüppel ist Ihnen nur im Weg.«
»Das ist …«
»… die Wahrheit, ich kann mit der Wahrheit leben. Ich brauche niemanden.«
Ich drehte mich zu ihm. »Es ist zu gefährlich.«
Mit veränderter Stimme sagte Droch: »Das habe ich mir gedacht. Jetzt also raus damit.«
»Sie haben mir … Ihre Krüppeltour …«
Droch grinste. »Hat doch gewirkt.«
»Sie haben nicht wirklich geglaubt, dass ich Sie wegen …«
»Eigentlich nicht, obwohl man nie wissen kann. Und es mir egal ist. Aber jetzt reden Sie schon. Was ist los?«
Josi, zaundürr, ganz in Schwarz und mit schwarz gefärbten, in alle Richtungen abstehenden Haaren, saß vor Drochs Computer. Drochs privates Arbeitszimmer bildete einen kaum überbietbaren Kontrast zu Josi. Alte Regale, übervoll mit Büchern. Landschaftsstiche in hölzernen und goldlackierten Rahmen. Ein altdeutscher Schreibtisch. Ich sah Josi über die Schulter, neben ihr saß Droch. »Meine Frau hat den Raum eingerichtet, sie macht so etwas gern«, sagte Droch, als er meinen Blick bemerkte.
Josi schob die Diskette, die ich aus Bellini-Kleins Wohnung hatte, in das Laufwerk. Ich hatte die Dateien der Diskette nicht öffnen können. Josi gab einige Befehle ein: Man merkte, dass sie den ganzen Tag wenig anderes tat. Mit einem zufriedenen Ton goutierte sie, dass die Diskette ihr Inhaltsverzeichnis preisgab. »Volltreffer«, sagte Josi.
»Das ist eine Startdiskette«, stellte Droch fest, und Josi und ich sahen ihn erstaunt an. »Also doch nicht zu alt, um sich bei Computern auszukennen, oder?«, knurrte er.
»Eine besondere Startdiskette«, ergänzte Josi. »Damit kannst du gleich in das Programm des Netzwerkes einsteigen. Es startet, und es enthält die Einstiegscodes.«
»Die Passwörter?«, fragte ich.
»Sozusagen, oder zumindest die Passwörter für den allgemeinen Einstieg.«
»Dann ist es entschieden«, sagte ich. Droch sagte nichts und sah aus dem Fenster. Aber er widersprach auch nicht.
»Und ihr habt damit nichts zu tun«, erinnerte uns Josi. »Es ist ganz einfach: Ich arbeite für ein alternatives Computermagazin. Und ich habe den Auftrag, spaßhalber zu versuchen an Vogls Wahlkampfdateien heranzukommen. Keine Manipulationen, kein Hacking. Nur um zu sehen, wie gut sie gesichert sind. Ich habe solche Sachen schon öfter gemacht. Wenn du Pech hast und erwischt wirst, gibt es eine kleine Geldstrafe.
Aber meistens genieren sich die Firmen so, dass sie lieber gar nichts unternehmen.«
»Es gab zwei Todesfälle. Ich sage nicht, dass sie mit dem Wahlkampf zusammenhängen müssen. Aber …« Droch sah weiter aus dem Fenster.
Josi traute Politikern nichts zu, und das sagte sie auch. »Und wenn … dann wisst ihr ja Bescheid.« Sie schien keinerlei Angst zu haben. War es in Ordnung, Josi in die Sache hineinzuziehen? Es war schon
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