Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
passiert, befand ich.
Ich stand in Vogls Hauptquartier und sprach mit zwei jungen Leuten, die für den Eventablauf zuständig waren. Sie mussten so viele Vogl-Fans wie möglich zu seinen Auftritten schaffen. Einen Teil ganz offiziell mit T-Shirts und Kappen, einen Teil ohne Erkennungszeichen. Und dann hatten sie dafür zu sorgen, dass die Fans an den richtigen Stellen klatschten, »bravo« riefen und bei Diskussionsveranstaltungen die richtigen Fragen stellten. Die zwei Mitarbeiter erzählten mir von ihrem Job, während ich mit einem Auge immer wieder zum Foyer hinblickte. Jetzt musste sie bald kommen. Alles war vorbereitet. Der Computer der Regionalkomitee-Gruppe war frei. Sie war auf einem halbtägigen Meeting mit den Vertretern der Regionalkomitees und mit Chloe Fischer. Im Hauptquartier herrschte wie immer große Betriebsamkeit. Mindestens 25 Menschen in Vogl-T-Shirts tippten fleißig Daten in ihren PC, gingen in Gruppen Berichte durch, telefonierten oder bereiteten Unterlagen auf.
Als sie hereinkam, hätte ich sie beinahe nicht erkannt. Ein schickes Wesen um die 25 mit einer tollen Gelfrisur, adretten blauen Jeans und einem Vogl-T-Shirt. Sehr dünn, lächelnd und hübsch. Sie fiel niemandem auf. Zielbewusst steuerte sie auf den freien Computer zu, ließ sich in den Sessel fallen, schob die Startdiskette ein und sah sich um, während das Programm hochfuhr. Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich unsere Blicke. Ich hatte Schwierigkeiten, dem Gespräch zu folgen, und überhörte eine Frage. Die beiden Eventmenschen sahen einander ratlos an. Ich entschuldigte mich für meine Unaufmerksamkeit. Um Himmels willen, ich durfte jetzt nichts versauen. »Ich habe vergessen, dass ich unserem Inlandschef etwas aus der internationalen Pressemappe heraussuchen soll. Und das braucht er noch bis Mittag.« Ich lächelte nervös. Mein Herz raste. »Ich danke Ihnen jedenfalls für das Gespräch. Wir sehen uns ja noch.«
Ich machte sicherheitshalber einen großen Bogen um den Schreibtisch, an dem Josi saß, und zwang mich, nicht hinzusehen. Ich sollte nur dann, wenn akute Gefahr drohte, eingreifen. Improvisieren. Wie hatte ich mir das vorgestellt, wenn schon jetzt die Nerven mit mir durchgingen? Ich zog mich in die Medienecke zurück. Zwei Mitarbeiterinnen ergänzten gerade die tägliche Pressemappe um die Auslandsnachrichten und diskutierten darüber, ob sie eine Kurzmeldung der »Liberte« aufnehmen sollten, in der davon die Rede war, dass Vogl wie andere namentlich genannte Politiker und Prominente ein Konzert der Drei Tenöre besucht habe.
Ich kramte nach meinem Handy. Josi würde auf keinen Fall zu mir kommen, sie würde mich per Handy anrufen, wenn etwas schiefging. Josi starrte auf den Bildschirm und gab einige Befehle ein. Ich versuchte mich zu beruhigen und rekapitulierte. Josi würde sagen, dass sie vom Regionalkomitee Obersteiermark sei und einige einschlägige Daten – das PR-Interview mit Vogl, den Veranstaltungsplan und derartiges – speichere. Das sei mit der Regionalkomitee-Gruppe ausgemacht. Flog sie auf, lief Plan zwei: Sie würde sich als Mitarbeiterin einer alternativen Computerzeitung zu erkennen geben.
Ich atmete tief durch und beruhigte mich ein wenig. Es würde klappen. Josi war eine der besten Computerspezialistinnen. Cool. Durch ihr T-Shirt war sie Teil der Masse der Vogl-Mitarbeiterinnen geworden. Uniformen haben – selten, aber doch – ihre Vorteile.
Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, wie auf Josis Bildschirm Zeichen erschienen. Josi tippte wieder etwas ein, wartete, weitere Zeichen tauchten auf. Ihr Einstieg würde registriert werden. Aber kein Mensch kontrollierte das. Jetzt nahm Josi wie selbstverständlich eine Diskette aus ihrer Tasche und speicherte etwas ab. Es schien zu funktionieren. Ich durfte nicht dauernd hinsehen. Ich begann in der Mappe mit den internationalen Pressemeldungen der Woche zu blättern. Seit Josis Eintreffen waren erst ein paar Minuten vergangen. Josi wischte sich mit dem Handrücken über die Oberlippe. Schweißperlen? Irgend etwas nicht in Ordnung? Sie schien immer wieder etwas zu probieren. Schließlich sah sie mit einem raschen Blick her. Etwas lief nicht, wie es sollte.
Ich blätterte in einer Zeitung und bemühte mich, ganz entspannt zu wirken. Ich hatte Josi eine Liste mit den Namen der Stabsmitglieder aufgeschrieben. Sie schien diese Liste nun durchzugehen. Offenbar gab es zusätzliche Zugangsschranken. Wir hätten uns nie darauf einlassen sollen. Ich
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