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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Wireman?«
    Er lächelte. »TiVo, Miss Eastlake.«
    Sie lachte. »TiVo, ist das nicht ein komisches Wort? Und ist es nicht komisch, wie förmlich wir miteinander umgehen? Er ist Wireman für mich, ich bin Miss Eastlake für ihn - außer wenn ich aufgeregt bin, wie ich es manchmal werde, wenn mir Dinge entfallen. Wir sind wie Personen in einem Theaterstück! In einem fröhlichen, in dem man weiß, dass bald die Band aufspielen und das ganze Ensemble singen wird!« Sie lachte, um zu zeigen, was für eine charmante Idee das war, aber in ihrem Lachen lag etwas Wildes. Ihr Akzent ließ mich erstmals an Tennessee Williams statt an Margaret Mitchell denken.
    Sanft - sehr sanft - sagte Wireman: »Vielleicht sollten wir jetzt nach nebenan gehen und Oprah einschalten. Ich denke, Sie sollten sich ein bisschen hinsetzen. Sie können eine Zigarette haben, während wir fernsehen, und Sie wissen, dass Sie das mögen.«
    »In einer Minute, Wireman. Nur noch eine Minute. Wir haben hier so selten Besuch .« Sie wandte sich wieder an mich. »Was für eine Art Künstler sind Sie, Edgar? Glauben Sie an Kunst um der Kunst willen?«
    »Ganz entschieden, Ma’am.«
    »Das freut mich. Das ist die Sorte, die Salmon Point am liebsten mag. Wie nennen Sie es?«
    »Meine Kunst?«
    »Nein, mein Lieber - Salmon Point.«
    »Big Pink, Ma’am.«
    »Big Pink soll es sein. Und Sie sollen Elizabeth zu mir sagen.«
    Ich lächelte. Ich konnte nicht anders, weil es ernst und nicht kokett gemeint war. »Gut, also Elizabeth.«
    »Wunderbar. In ein paar Augenblicken ziehen wir uns in den Fernsehraum zurück, aber vorher...« Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Spieltisch zu. »Nun,Wireman? Nun, Edgar? Seht ihr, wie ich die Kinder aufgestellt habe?«
    Es waren ungefähr ein Dutzend, die alle der linken Seitenfront des Schulhauses zugewandt waren. Wie zu einem Appell der Grundstufe.
    »Was sagt euch das?«, fragte sie. »Wireman? Edward? Einer von euch?«
    Das war nur ein ganz kleiner Ausrutscher, aber ich hatte natürlich ein Ohr für Versprecher. Und diesmal war mein eigener Name die Bananenschale gewesen.
    »Große Pause?«, fragte Wireman und zuckte mit den Schultern.
    »Natürlich nicht«, sagte sie. »Hätten sie Pause, würden sie spielen , nicht beieinanderstehen und gaffen.«
    »Es ist entweder ein Brand oder ein Probealarm«, sagte ich.
    Sie beugte sich über ihr Gehwägelchen (Wireman, stets wachsam, packte sie an der Schulter, damit sie nicht vornüberkippte) und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Das kam verdammt überraschend, war aber nicht unangenehm. »Sehr gut, Edward!«, rief sie. »Aber was von beidem, glauben Sie?«
    Ich dachte darüber nach. Die Sache war einfach, wenn man die Frage ernst nahm. »Ein Probealarm.«
    »Ja!« Ihre blauen Augen leuchteten vor Entzücken. »Erklären Sie Wiring, weshalb.«
    »Würde es brennen, würden sie in alle Richtungen weglaufen. Stattdessen...«
    »Warten sie darauf, wieder hineingehen zu dürfen, ja.« Aber als sie sich jetzt Wireman zuwandte, sah ich eine andere, eine verängstigte Frau. »Ich habe Ihnen wieder den falschen Namen gegeben.«
    »Schon in Ordnung, Miss Eastlake«, sagte er und küsste sie mit einer Zärtlichkeit auf die Schläfe, die mich sehr für ihn einnahm.
    Sie lächelte mich an. Das war, als sähe man die Sonne hinter einer Wolke hervorkommen. »Solange er einen noch mit dem Familiennamen anredet, weiß man...« Aber sie schien den Faden verloren zu haben, und ihr Lächeln begann zu verblassen. »Dann weiß man...«
    »Dass es Zeit ist, sich Oprah anzusehen«, sagte Wireman und nahm ihren Arm. Nachdem sie gemeinsam das Gehwägelchen vom Spieltisch weggedreht hatten, stampfte sie in überraschendem Tempo auf eine Tür in der Rückwand des Salons zu. Er ging wachsam neben ihr her.
    Ihr »Fernsehraum« wurde von einem riesigen Samsung-Flachbildfernseher beherrscht.Am anderen Ende des Raums stand ein sündhaft teurer Hi-Fi-Turm. Aber ich nahm diese Geräte kaum wahr. Ich hatte nur Augen für die gerahmte Skizze an der Wand über den CD-Regalen, die mir sekundenlang den Atem verschlug.
    Die nur mit Bleistift ausgeführte Skizze war durch zwei scharlachrote Striche ergänzt, die vermutlich von einem einfachen roten Kugelschreiber stammten, wie ihn Lehrer zum Korrigieren verwenden. Diese nicht ganz spontan hingekritzelten Linien verliefen parallel zum Horizont des Golfs, um einen Sonnenuntergang anzudeuten. Nur zwei, aber sie waren genau richtig. Sie waren Genie ohne Anmaßung.

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