Wahn - Duma Key
ist Magie, und nicht jeder Zauber ist weiß.
Nicht einmal für kleine Mädchen.
7
Kunst um der Kunst willen
I In der Hausbar im Wohnzimmer stand eine Flasche Single Malt Whisky. Ich wollte mir ein Glas genehmigen, entschied mich aber dagegen. Ich wollte noch warten, vielleicht eines meiner Eiersalat-Sandwichs essen und mir überlegen, was ich zu ihr sagen wollte, aber auch das tat ich nicht. Manches lässt sich nur tun, indem man es tut. Ich nahm das schnurlose Telefon mit in den Florida-Raum hinaus. Trotz der geschlossenen Schiebefenster war es in dem Raum sehr kühl, aber das war in gewisser Weise gut so. Ich hoffte, dass die kühle Luft mich ein bisschen munterer machen würde. Und dass der Anblick der Sonne, die in Richtung Horizont sank und ihre goldene Bahn aufs Wasser malte, mich bald beruhigen würde. Denn ich war nicht ruhig. Mein Herz hämmerte zu sehr, mein Gesicht brannte, meine Hüfte schmerzte wie der Teufel, und ich merkte plötzlich wahrhaft entsetzt, dass mir der Name meiner Frau entfallen war. Immer wenn ich danach tauchte, kam ich nur mit peligro herauf - dem spanischen Wort für »Gefahr«.
Ich gelangte zu dem Schluss, wohl doch noch etwas Zeit zu brauchen, bevor ich in Minnesota anrief.
Ich ließ das Telefon auf der Polstercouch liegen, hinkte ins Schlafzimmer (jetzt mit meiner Krücke; sie und ich würden unzertrennlich sein, bis ich ins Bett ging) und holte Reba. Ein Blick in ihre blauen Augen genügte, um Pams Namen zurückzubringen, und mein Puls wurde langsamer. Mit meiner Allerbesten so zwischen Armstumpf und Körper geklemmt, dass ihre knochenlosen Beine schlenkerten, ging ich zurück in den Florida-Raum und setzte mich wieder. Reba plumpste in meinen Schoß, und ich setzte sie nachdrücklich so neben mich, dass sie in die untergehende Sonne sah.
»Starrst du sie zu lange an, wirst du blind«, sagte ich. » But that’s where the fun is. Bruce Springsteen, 1973 oder so, muchacha .«
Reba gab keine Antwort.
»Ich sollte oben sein und malen«, erklärte ich ihr. »Beschissene Kunst um ihrer selbst willen ausüben.«
Wieder keine Antwort. Rebas große Augen verkündeten der Welt, sie müsse es bei dem bösesten Mann Amerikas aushalten.
Ich griff nach dem Telefon und schüttelte es vor ihrem Gesicht. »Ich schaffe das«, sagte ich.
Kein Kommentar von Reba, aber ich fand, dass sie ein zweifelndes Gesicht machte. Unter uns setzten die Muscheln ihren vom Wind angestachelten Streit fort: Das warst du, ich war’s nicht, o doch, du warst es.
Am liebsten hätte ich die Angelegenheit noch länger mit meiner Wutmanagementpuppe besprochen. Stattdessen tippte ich die Telefonnummer meines früheren Zuhauses ein. An die konnte ich mich mühelos erinnern. Ich hoffte insgeheim, es würde sich nur Pams Anrufbeantworter melden. Stattdessen erwischte ich die Lady persönlich, die allerdings etwas außer Atem war. »He, Joanie, Gott sei Dank, dass du zurückrufst. Ich war schon an der Haustür, um zu meinem Vieruhrtermin zu fahren.«
»Ich bin nicht Joanie«, sagte ich. Ohne auch nur darüber nachzudenken, griff ich nach Reba und zog sie wieder auf meinen Schoß. »Ich bin’s, Edgar. Und du wirst deinen Termin vielleicht absagen müssen. Wir haben etwas Wichtiges zu besprechen.«
»Was ist mit dir?«
»Mit mir? Nichts. Mir geht’s gut. Und dir und den Mädchen hoffentlich auch?«
»Ja, natürlich. Hör zu, Edgar, ich habe einen Termin beim Friseur und bin schon spät dran, aber ich bin um sechs wieder hier. Können wir dann miteinander reden?«
»Ich denke, wir müssen gleich jetzt miteinander reden«, sagte ich. »Es geht um Tom Riley.«
Schweigen aus Pams Teil der Welt. Es hielt ungefähr zehn Sekunden an. In dieser Zeit wurde der goldene Pfad auf dem Wasser ein klein wenig dunkler. Elizabeth Eastlake kannte ihre Emily Dickinson; ich fragte mich, ob sie auch ihren Vachel Lindsay kannte.
»Was ist mit Tom?«, fragte Pam schließlich. Ihre Stimme klang vorsichtig, zutiefst misstrauisch und vorsichtig. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie ihren Friseurtermin völlig vergessen hatte.
»Ich habe Grund zu der Annahme, dass er vielleicht an Selbstmord denkt.« Ich klemmte den Hörer gegen meine Schulter und fing an, Rebas Haare zu streicheln. »Weißt du irgendwas darüber?«
»Was... Was ich ...« Ihre Stimme klang gepresst wie nach einem Schlag in den Magen. »Um Himmels willen, wieso sollte ich ...« Sie erholte sich etwas und versuchte nun, die Empörte zu spielen. Das ist in solchen
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