Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
abzugeben. Obwohl er um Benachrichtigung über den Fortgang gebeten habe, habe er nichts mehr gehört. Wie der Beamte weiter mitteilte, habe er später erfahren, dass Fleisch zum Teil von der Tschechoslowakei in die DDR transportiert und von dort nach Bayern eingeführt wurde – zum großen Schaden der Bauern.
»So muss man’s halt machen!« Diese Verschlagenheit zieht sich durch das ganze Leben von Strauß. Er belog alle, er betrog alle. Im Hof der historischen Bischofsresidenz in Regensburg, zu Strauß’ Zeiten eine Hochburg der CSU , steht an einem plätschernden Brunnen eine Bronzeskulptur: ein Priester, der den Gänsen predigt, während diese ihm andachtsvoll lauschend ihre Köpfe entgegenrecken. Auf der Rückseite aber lugt aus dem Mantelschlitz des Predigers ein Fuchs hervor, der einer Gans den Hals durchbeißt.
Schalck-Golodkowski hatte nach dem Tod von Strauß seinem Chef Erich Mielke schriftlich berichtet, CSU -Parteichef Theo Waigel und Ministerpräsident Max Streibl hätten ihm erklärt, die »finanziellen Verknüpfungen« von Strauß mit der Fleischfirma März hätten die CSU oft in Schwierigkeiten gebracht. Strauß kassierte demnach bei den Geschäften von März mit. Hegte Strauß nicht einen ungeheuren Abscheu vor den kommunistischen Machthabern? Oder saß dieser Abscheu doch nicht so tief, wenn es um den eigenen Vorteil ging?
Weiter berichtete Schalck-Golodkowski dem Stasi-Chef Erich Mielke in demselben Vermerk: »Die Interessen von Josef März u. a. in Togo, Spanien und Argentinien wurden von Strauß abgedeckt und dienten nicht nur staatlichen Interessen.« Man kann dies so verstehen, dass es vermutlich auch um die finanziellen Interessen von Strauß ging. Schalck-Golodkowski hatte schon 1983 , im Zusammenhang mit dem Milliardenkredit für die DDR , in einem Vermerk festgehalten, Strauß sei stark darüber verärgert, »dass es der Fleischfirma März nicht gelinge, in intensive Geschäftsbeziehungen mit der DDR zu treten und dass immer wieder Konkurrenzfirmen der Vorzug gegeben werde«. Dazu sagte Schalck- Golodkowski 1993 vor einem Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags, der sich mit den Fleischimporten aus der DDR und dem Milliardenkredit befasste, diese Warnung habe ihm März übermittelt. Er habe sie sehr ernst genommen und veranlasst, dass »das Volumen der Exporte nach Bayern, die über März abgewickelt wurden, nicht angetastet wurde«.
Welches persönliche Interesse konnte Strauß daran haben, dass gerade die Firma März zum Zuge kam? Es scheint wiederum nur ein und dieselbe Erklärung zu geben: Strauß kassierte vermutlich mit! Die Gewinnspanne bei DDR -Schlachtviehimporten war außerordentlich hoch. Bei gleicher Qualität kostete 1984 ein DDR -Bulle 695 Mark, ein Bulle bayerischer Landwirte hingegen 2527 Mark. Und tatsächlich schaffte Strauß es, dass März neben der Firma Moksel bei den DDR -Importen eine marktbeherrschende Stellung erlangen konnte.
Diese DDR -Importe haben noch eine verschärfende Pointe. Die Gebrüder März hatten in Togo eine Rinderzucht begonnen. Strauß selbst flog auffallend oft nach Togo, wo er enge Beziehungen zu dem Diktator Eyadéma unterhielt. Billiges Fleisch aus Togo durfte nicht in das EU-Gebiet importiert werden. Andererseits hatte die DDR aufgrund der innerdeutschen Verträge das Recht, ein bestimmtes Kontingent an Fleisch in die Bundesrepublik einzuführen. Auf dem Umweg über die DDR könnte die Firma März teilweise Fleisch aus Togo nach Bayern bezogen haben.
Mit großem Erstaunen sah die Öffentlichkeit, dass Schalck-Golodkowski 1989 nach seiner Flucht in die Bundesrepublik von der Firma März sofort ein Darlehen in Höhe von 600 000 Mark bekam und von Max Strauß liebevoll umsorgt wurde. Letzterer nahm ihn gegen Angriffe in Schutz. Schalck sei ein Opfer »der gesamten linken Mafia«, erklärte er. Offenkundig sollte verhindert werden, dass Schalck-Golodkowski sein Wissen über die »finanziellen Verknüpfungen« zwischen F. J. Strauß und März preisgab – womöglich auch über den Milliardenkredit an die DDR . Ministerpräsident Max Streibl aber lancierte 1991 die Aktenvermerke über die Gespräche von Strauß mit Schalck-Golodkowski in die Presse – offensichtlich, um seinen verhassten Vorgänger bloßzustellen.
Dass hinter den Fleischimporten aus der DDR Strauß stand, stellte der frühere Präsident des Bayerischen Bauernverbands, Gustav Sühler, vor dem Schalck-Untersuchungsausschuss des Landtags 1992 klar. Der Bauernverband
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