Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
habe seinerzeit laufend gegen die Billigeinfuhren protestiert, aber vergeblich. Der Preisverfall der Fleischpreise habe sich fortgesetzt. Sühler klagte Strauß vor dem Ausschuss an: Ihm sei »keine einzige Aktion von Strauß bekannt, um Schaden von den bayerischen Bauern abzuwenden«. Das Schicksal der Bauern war Strauß eben »wurscht«, Hauptsache, sie gaben ihm bei der Wahl ihre Stimme. Das oben erwähnte Geschäft in Budapest war überdies illegal. Sühler verwies darauf, dass März unter Umgehung der Vorschriften mutmaßlich billiges Fleisch aus anderen Ostblockländern eingeschleust habe. Und, wie das Beispiel Budapest zeigt, half Strauß dabei.
Der frühere Landwirtschaftsminister Simon Nüssel musste vor dem Schalck-Untersuchungsausschuss im November 1992 zugeben, dass sein Ministerium den Bauern verschwiegen hatte, dass sämtliche Schlachtviehtransporte aus der DDR nach Bayern gingen – also allein in das Herrschaftsgebiet von F. J. Strauß. Das Ministerium log sogar: Auf eine Anfrage antwortete es im Mai 1985 , es sei nicht möglich, den bayerischen Anteil an den Fleischimporten aus der DDR exakt zu beziffern. Tage später aber legte der zuständige Referatsleiter seinem Minister eine detaillierte »Aufstellung über die bayerischen Bezüge aus der DDR « vor. Hätte der Landwirtschaftsminister freilich die Wahrheit offenbart und zugegeben, dass die den Preisverfall verursachenden Billigimporte ausschließlich nach Bayern kamen, hätte es einen Bauernaufstand gegeben. Und der Minister hätte sich der Rache von Strauß sicher sein können. Denn als »Stimmvieh« wollte Strauß sich die Bauern natürlich erhalten.
Die eigene Arglist gegenüber den Bauern hinderte Strauß aber nicht daran, den CSU -Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle immer wieder wegen seiner angeblich verfehlten Agrarpolitik zu attackieren. Kiechle, ein intelligenter Landwirt aus dem Allgäu, war eine ehrliche Haut. Er wusste zweifellos, wie Strauß den Bauern mitspielte. Was er von seinem Parteivorsitzenden hielt, kann man sich vorstellen.
Der Fall Simon Goldenberg
Die Bauern durften unter keinen Umständen von den Fleischimporten erfahren. Das erklärt auch den Fall Simon Goldenberg, der so rätselhaft erschien. In Ostberlin betrieb Simon Goldenberg über zwei Jahrzehnte die Vermittlung von Warengeschäften. Die Marox GmbH der Gebrüder März in Rosenheim zählte zu seinen besten Kunden. Er wickelte für das Unternehmen in der DDR nach eigenen Angaben Geschäfte im Volumen von bis zu 100 Millionen Mark jährlich ab. 1976 übersiedelte er nach Bayern. Hier wurde er von Strauß-Freund Josef März großzügig unterstützt.
Mit Schreiben vom 8 . Juli 1977 an den damaligen bayerischen Innenminister Alfred Seidl empfahl der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz, Hans Ziegler, die Vernehmung Goldenbergs. Die Bundesanwaltschaft habe ihn in acht Ermittlungsverfahren genannt, er sei Kontaktperson östlicher Nachrichtendienste gewesen; außerdem sei er an Devisenschiebungen mit gefälschten US-Dollar beteiligt gewesen. Der Innenminister legte das Schreiben dem CSU -Vorsitzenden Strauß vor. Er, der unentwegt gegen die kommunistischen Gewaltherrscher wetterte – er, der ehemalige Bundesverteidigungsminister –, hätte sofort einer solchen Vernehmung zustimmen müssen. Doch diese unterblieb. Warum verweigerte Strauß seine Zustimmung?
Daraufhin schrieb Präsident Ziegler zornig an den Innenminister, das Landesamt für Verfassungsschutz habe es nicht zu vertreten, wenn »wichtige Hinweise für die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik nicht ausgeschöpft werden könnten«. Trotzdem unterblieb die Vernehmung weiterhin. Vor einem wegen der Langemann-Affäre eingesetzten Untersuchungsausschuss, der sich mit den Enthüllungen des früheren BND -Agenten und Leiters der Staatsschutzabteilung im bayerischen Innenministerium befasste, erlitt Strauß, als ihm das Schreiben Zieglers vorgehalten wurde, einen Anfall von Gedächtnisschwäche: »Ich kann mich an dieses Schreiben nicht erinnern.«
Die Fernsehsendung Monitor ( WDR ) präsentierte 1982 Recherchen, die unter Berufung auf zwei sehr hohe Beamte des Innenministeriums ergaben, aus der engsten Umgebung von Strauß sei die Anweisung gekommen, Goldenberg reinzuwaschen. Das deckt sich mit einem Bericht von Schalck-Golodkowski vom 12 . Oktober 1984 an seinen Chef Erich Mielke, wonach ihm März »im Auftrag von Strauß« beiliegende Unterlagen mit der Bitte um Unterstützung gegeben
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