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Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Titel: Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schlötterer
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in den Augen von Seehofer und Merk war es offenbar ohne Belang.
    Die Karikaturisten zeichnen Strauß gemeinhin, wie er in weißem Gewande, mit Flügeln bestückt, hoch oben am blauen Himmel auf einer Wolke sitzt und hinabschaut auf die Erde, auf den Freistaat Bayern, das Treiben seiner Amtsnachfolger zutiefst missbilligend. Als ausreichend gesicherte Adresse kann die Wolke indes nicht gelten. Bei einer Lesung von mir im Toskana-Saal der Würzburger Residenz zeigte Prof. Dr. Horst Schäfer-Schuchardt, der Präsident der dortigen Società Dante Alighieri, in seiner Ansprache auf, an welch fürchterlichen Aufenthaltsorten des Inferno der Dichter Dante, begleitet von Vergil, bei seiner Jenseitswanderung üble Politiker gesehen hatte. In meiner Erwiderung gab ich zu bedenken, dass der eine oder andere auch auf dem Berg der Läuterung unterwegs sein könnte. Für Strauß gilt das wohl nicht.
    Profilierung
    Seehofer ist nur einer von 16 Regierungschefs der Länder, die CSU repräsentiert lediglich 6 , 8 Prozent des Wählerpotenzials. Aber indem er ständig die Kanzlerin angreift – so wie Strauß früher nimmermüde Helmut Kohl angriff –, verschafft er sich Schlagzeilen. Das hat er sich von Strauß abgeschaut. Er erhöht seine Bedeutung, wenn er immer wieder sagt: »Mit mir ist das nicht zu machen!« So geriert er sich als Nebenkanzler. Mehrmals drohte er mit Koalitionsbruch, erinnerte damit an den Kreuther Trennungsbeschluss. Aber als er Sperrfeuer aus den eigenen Reihen bekam, zog er – so wie Strauß – schnell den Kopf ein. »Ich habe das Wort ›Koalitionsbruch‹ nicht in den Mund genommen«, versicherte er.
    Und ähnlich wie Strauß hält er sich einen Generalsekretär, der stellvertretend für ihn scharf zubeißt, wenn auch nicht so abstoßend wie dereinst Edmund Stoiber als Generalsekretär von Strauß.
    Weltruf
    Anders als Strauß erlangte Seehofer über die Landesgrenzen hinaus keine Bekanntheit. Lediglich im amerikanischen Außenministerium wurde man auf ihn aufmerksam. Die Botschaft in Berlin hatte nämlich berichtet, Seehofer verfüge nur über einen »beschränkten Horizont«. Durch einen Datenklau in den USA gelangten die geheimen Unterlagen in die Presse. In der Bundesrepublik und insbesondere in der CSU zeigte sich niemand überrascht, wie Seehofer beurteilt wurde.
    CSU-Parlamentarier
    Wie unter Strauß hat die Landtagsfraktion nichts zu melden, sie führt ein Schattendasein. Die CSU -Landesgruppe im Bundestag hält Seehofer am kurzen Zügel, allerdings wagt sie – anders als unter Strauß – bisweilen Widerspruch. Ihr früherer Chef Michael Glos warnte Seehofer gar, er müsse aufpassen, dass »die Zahl derer nicht zunimmt, die an seinen außerirdischen Fähigkeiten zweifeln«. Seehofer selbst quälen keine Selbstzweifel. Er argumentierte, wenn man ihm vorwerfe, er wisse nicht, was er wolle, könne das nicht stimmen – sonst hätte er es doch nicht zum Bundesminister und schließlich Ministerpräsidenten gebracht. Ein zwingendes Argument war das nicht.
    Recht und Moral
    Strauß hatte nicht das mindeste Verhältnis zu Recht und Moral. Warum Seehofer ihn sich trotzdem zum Vorbild nimmt, müsste er erklären. Fest steht, dass sich unter dem Ministerpräsidenten Seehofer die fragwürdigen Machenschaften der Justiz in politischen Fällen fortsetzten. Zu verweisen ist zum Beispiel auf das Vorgehen gegen mich, auf den Fall Gustl Mollath (s. S. 318 ff.) oder auf das Vorgehen gegen die Kriminalkommissare Sattler und Mahler ( s. S. 279 ff. ). Wie einst auch Strauß beurteilt er selbst schlimmes Fehlverhalten offenbar generös, wenn es sich um Protagonisten aus dem eigenen Lager handelt. Die mit der Münchner Wahlfälschungs- und Dossieraffäre belastete Monika Hohlmeier kürte er zur Europaabgeordneten. Den mit der Plagiatsaffäre belasteten Karl-Theodor zu Guttenberg lud er öffentlich zur weiteren Mitarbeit ein. Daraufhin zeichnete der Karikaturist Dieter Hanitzsch in der SZ eine Karikatur: Der freundlich lächelnde Seehofer steht da mit ausgebreiteten Armen und ruft: »Lügner, Betrüger, Hochstapler, willkommen in der CSU !«
    Auch sich selbst erteilte Seehofer Dispens, nachdem aufgekommen war, dass er als Vize seiner christlichen Partei jahrelang eine Geliebte hatte: »Man kann halt nicht immer alle Normen einhalten. Das bringt so das Leben mit sich«, rechtfertigte er sich. Logisch: Wenn einem das Leben so übel mitspielt, kann man nichts machen. Eine empfehlenswerte Rechtfertigung auch für alle

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