Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
Sünder, die vor Gericht stehen – sie können sich auf Seehofer berufen.
Keinesfalls zu rechtfertigen war jedoch, was Seehofer als Bundeslandwirtschaftsminister tat, um sich den Weg zum Vorsitz der CSU freizukämpfen. Weil er wegen seiner Liebesaffäre starken Gegenwind aus der oberen Etage der CSU verspürte, bestellte er Redakteure des Stern in sein Ministerium und erklärte: »Ich bin gut informiert, ich habe viel Material!« Dabei wies er auf den Schreibtisch seines Dienstzimmers. Dass er auf diese Weise, so konnte man das durchaus verstehen, hinderlichen Parteifreunden öffentlich mit der Enthüllung ihrer Liebesaffären drohte, noch dazu als Bundesminister von seinem Dienstsitz aus, war unfassbar. Es war eine skandalöse Grenzüberschreitung ohnegleichen. Karl-Theodor zu Guttenberg hatte man angekreidet, dass er zu einer Pressekonferenz ins Bundesverteidigungsministerium eingeladen hatte, um in diesem dienstlichen Rahmen den Journalisten seine Lügen zur Privatsache »Doktorarbeit« aufzutischen. Doch was Seehofer gemacht hatte, war ungleich schlimmer: Die Bundeskanzlerin hätte ihn wegen gröblicher Verletzung seiner Amtspflichten entlassen müssen. Dass Seehofer derart bedenkenlos war, erwies ihn als Strauß ebenbürtig. Und wie dieser wusste und nutzte er, dass er als »Koalitionspartner« nicht zum Rücktritt gezwungen werden konnte.
Dass ihn die CSU -Delegierten dann trotz seiner sittenwidrigen Drohung wieder zum stellvertretenden und schließlich zum ersten Vorsitzenden wählten, bedarf keines Kommentars.
Verträge
Seehofer bestand auf der Einführung des Betreuungsgeldes, weil es im Koalitionsvertrag vereinbart sei. Andererseits widersetzte er sich der Einführung der ebenfalls im Koalitionsvertrag vereinbarten Kopfpauschale im Gesundheitswesen. Michael Glos hielt ihm dies öffentlich vor: Der Vertrag trage nun einmal die Unterschrift des CSU -Vorsitzenden.
Apropos Betreuungsgeld: Seitens CDU und FDP , der Unternehmer, der Gewerkschaften und von Fachleuten wurde Seehofer mit massiven Einwänden gegen das von ihm geforderte Betreuungsgeld konfrontiert. Statt als Heimprämie für teils bildungsferne Schichten sollten die erforderlichen Mittel in Höhe von wenigstens zwei Milliarden Euro für den dringend benötigten Ausbau von Kindestagesstätten verwendet werden. In einem ungewöhnlichen Aufruf warnten im August 2012 vier ehemalige Bundesfamilienministerinnen (zwei der CDU , zwei der SPD angehörig) vor der Einführung des Betreuungsgeldes, denn es sei strukturell unwirksam und diskriminierend. Die Oppositionsparteien warfen Seehofer vor, er wolle damit nur die Landtagswahl gewinnen. Horst Seehofer focht das alles nicht an – er setzte sich durch, obwohl dadurch der Schuldenberg der Bundesrepublik noch größer wird!
Versprechungen
»Das machen wir«, sagt Seehofer angeblich spontan, wenn er mit einem Projekt konfrontiert wird. Das sei ein geflügeltes Wort in der CSU , berichtete die Presse. Sie wusste aber auch zu vermelden, dass diese Zusagen großteils keinen Bestand hätten. Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte am 22 . März 2010 sogar eine ganze Seite mit einer Gegenüberstellung unter der spöttischen Überschrift »Was man versprochen hat, muss man auch halten«.
Wegen seiner Sprunghaftigkeit lachte und lästerte man in der CSU über Seehofer, doch angesichts der bevorstehenden Wahlen im Herbst 2013 scharte man sich doch wieder um ihn, das Leittier.
Haushaltsmittel
Wegen des Landesbank-Debakels und des desaströsen Fehlverhaltens Stoibers und der verantwortlichen Minister versprach Seehofer 2008 bei seiner Wahl zum Ministerpräsidenten einen »völligen Neuanfang«. Die Bürger atmeten auf. Doch 2010 entdeckte man, dass er gleich nach seinem Amtsantritt insgeheim beim Hamburger Meinungsforschungsinstitut CMS eine »Resonanzstudie« in Auftrag gegeben hatte. Sie sollte die Wahlabsichten der Bürger sowie parteipolitische Tipps für den Umgang mit anderen Parteien abfragen. Das alles nicht etwa auf Parteikosten, sondern auf Staatskosten! Die Resonanzstudie empfahl unter anderem, Seehofer solle die FDP angreifen, was er dann nach Kräften tat.
Für die rechtswidrige Zweckentfremdung staatlicher Mittel wurde Seehofer vom Bayerischen Obersten Rechnungshof heftig gerügt. Doch er zeigte keine Reue, erklärte sogar: »Ich würde das jederzeit wieder tun!« Genauso hatte sich Strauß als Bundesverteidigungsminister verhalten, als er mehrmals vom Bundesrechnungshof schärfstens getadelt
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