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Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Titel: Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schlötterer
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lange wegen der »sprunghaften und polternden Art Seehofers« bei den Steuersenkungen, beim Betreuungsgeld und bei der Euro-Rettung. »Er tritt auf wie der Befehlshaber aus München«, beklagte sich ein Mitglied des Parteivorstands. »Irgendwann wird Seehofer nicht mehr ernst genommen«, wurde ein CSU -Bundestagsabgeordneter zitiert. Auch sein Vorbild Strauß erlitt schließlich dieses Schicksal.
    Rätselhaft ist, warum Seehofer trotz der kontinuierlichen Vorhaltungen aus der Partei, aus der CDU , aus den Medien, er schwanke ständig hin und her, rede mal so, mal so, treffe unhaltbare Aussagen, keine Selbstprüfung vornimmt. »Wende ohne Ende«, höhnte die SZ , seine ständigen Wechsel aufreihend. Die meisten Politiker würden vor Verlegenheit in den Boden versinken und sich vornehmen, dass ihnen so etwas nicht mehr passieren dürfe. Nicht so Horst Seehofer. »Bei Seehofer gibt es gar keine Linie. Heute so, morgen so«, kommentierte der frühere Innenstaatssekretär Bernd Weiß gegenüber der Boulevardzeitung tz . »Das ist wie ein großer schwerfälliger Sattelzug, wo einer vorne am Führerbock das Lenkrad hin und her reißt und der Anhänger hinten immer mehr ausbricht, herumschlingert, sich aufschaukelt.« Er, Weiß, sehne sich nach einer CSU , »die wieder erkennbar für etwas steht«. In einem im Januar 2013 erschienenen Buch warf Weiß Seehofer vor, er agiere nur »aus Gründen des Machterhalts«.
    Seehofer hat eine Handelsschule absolviert, war dann im mittleren Dienst am Landratsamt Eichstätt tätig. Über die Verwaltungsschule arbeitete er sich hoch in die Inspektorenlaufbahn – eine anerkennenswerte Leistung. Mit 30 Jahren wurde er in den Bundestag gewählt, später wurde er Minister. Der Umstand, dass er ohne Abitur und Studium so weit gekommen ist, scheint in ihm den unverrückbaren Glauben erzeugt zu haben, er sei klüger als alle Studierten – er war ja nunmehr Vorgesetzter vieler Akademiker.

II. Teil Anspruch und Wirklichkeit

1 Christlichkeit und Sozialwohl
    Das christlich-soziale Leitbild
    In Paragraf 1 der CSU -Satzung ist zu lesen: »Die Christlich-Soziale Union erstrebt eine staatliche Ordnung in demokratischer Freiheit und sozialer Verantwortung auf der Grundlage des christlichen Welt- und Menschenbildes.« Folgerichtig bekräftigte bisher jeder baye rische Ministerpräsident und Minister den abgelegten Amtseid mit den Worten: »So wahr mir Gott helfe.«
    Das christliche Menschenbild der Satzung umfasst dem sprachlichen Verständnis nach gleichermaßen die Frauen, somit auch Ehefrauen. Genau dieser Umstand aber sollte in der Praxis zu zahlreichen, wenngleich verdeckten Satzungsverstößen von CSU -Spitzenpolitikern führen. Allerdings ist ihnen zugutezuhalten, dass sie kraft ihres bundesweiten, teilweise globalen Wirkungsanspruchs als Männer von Welt zu betrachten sind. Als solchen sind ihnen großzügigere Freiheiten als den normalen Christenmenschen zuzugestehen.
    Im Juli 2007 erklärte der damalige CSU -Vorsitzende Erwin Huber gegenüber der Leipziger Volkszeitung , er wolle dafür sorgen, »dass die christlichen Sittengesetze auch in der praktischen Politik wahrgenommen werden«. Vor der Bundestagswahl 2009 um Stimmenfang bemüht, propagierte er, die CSU müsse, was das christliche Menschenbild sowie Ehe und Familie angehe, den Unterschied zur FDP herausarbeiten.
    Hatte die CSU wirklich mehr Christlichkeit zu bieten als die FDP ? Welcher CSU -Spitzenpolitiker stand hierfür? Praktizierte überhaupt er selbst die propagierte Christlichkeit? Ein eifriger Kirchgänger in seinem Dorf war Huber wohl schon. Aber wie übel er dem Regierungsdirektor Heiner Fischer-Stabauer mitspielte, nachdem dieser gegen Gerold Tandler ein Steuerstrafverfahren eingeleitet hatte, oder wie er vor dem Landtag bezüglich der Landesbankverluste die Unwahrheit sagte, zeigt ihn ohne christliche Schminke. Zur Erinnerung: Ende 1995 leitete Regierungsdirektor Fischer-Stabauer gegen Gerold Tandler, den ehemaligen Finanzminister und stellvertretenden CSU -Vorsitzenden, nunmehr Mitglied des Linde-Vorstands, ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ein. Das sollte er büßen. Bald darauf wurde ihm auf Weisung »von oben« – Finanzminister war Erwin Huber – der Fall entzogen und strikt verboten, ihn an die Staatsanwaltschaft abzugeben. Bei der nächsten dienstlichen Beurteilung wurde ihm die Befähigung zum Finanzamtsvorsteher aberkannt. Als er sich über einen Anwalt mit einer Petition an den

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