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Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Titel: Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schlötterer
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Verhalten nach christlichen und charakterlichen Maßstäben bewerten will, ist eine Seite. Diese Bewertung kann jeder für sich vornehmen. Die andere Seite – um diese geht es hier – ist die Unverfrorenheit, sich selbst als Tugendbold auszugeben, während gleichzeitig die Wähler getäuscht und die politischen Gegner, soweit dort Anstößiges aufscheint, an den Pranger gestellt werden.
    Die christliche Sittsamkeit des F. J. Strauß
    Werner Dollinger, langjähriger Stellvertreter von Strauß als Parteivorsitzender, rühmte dessen Verhältnis zu Religion und Christentum: »Eine Formulierung kommt bei ihm immer wieder vor, das ist die Ausrichtung nach dem christlichen Sittengesetz. Und dies ist für eine Partei, die das Wort ›christlich‹ in ihrem Namen trägt, ein entscheidendes Fundament. Ein Parteivorsitzender ohne ein derartiges Fundament kann eine solche Partei nicht führen« (zitiert nach dem Strauß-Biografen Wolfram Bickerich). Lässt man all seine Machenschaften im Bereich der Politik und des Geldes beiseite: Hielt sich Strauß wenigstens im familiären Bereich an das von ihm selbst propagierte christliche Sittengesetz? Diese Frage ist umso legitimer, als er seine Ehefrau Marianne und seine Kinder werbewirksam in der politischen Öffentlichkeit präsentierte.
    Bei seiner Hochzeit mit Marianne Zwicknagl im Jahr 1957 in Rott am Inn waren Bundeskanzler Adenauer und mehrere Bundesminister anwesend. Mit seiner Marianne reiste er zum Papst nach Rom – großes Bild in der Presse mit Pius XII . Kurz darauf schrieb die ostdeutsche Berliner Zeitung in einem Sonderbericht auf Seite eins, Strauß habe seit Jahren gleichzeitig intime Beziehungen zu fünf verschiedenen Frauen unterhalten, der Bericht nannte Namen. Außerdem sei er ein notorischer Bordellgänger in München. Der von dem CDU -Bundesminister Ernst Lemmer herausgegebene Westberliner Kurier druckte den Bericht im Wortlaut nach. Aber welche Überraschung: Strauß schwieg. Daraufhin empörte sich der CSU -Kultusminister Alois Hundhammer vor der CSU -Landtagsfraktion: »Der Betroffene selbst gibt keinerlei Erklärung ab. Einen solchen Mann, dazu noch mit seiner Braut, hat der Heilige Vater empfangen, und der Kardinal ist nach Rott gefahren, um ihn zu trauen.« Strauß erklärte dazu lediglich: »Man sollte bei uns vorsichtig sein mit Verwendung kommunistischer Quellen« (Bickerich, S. 132 ff.). Ein klareres Dementi wollte er offenbar nicht wagen.
    Aber schon vier Jahre später, seine Ehefrau war inzwischen 29 Jahre alt, habe Strauß, wie der Spiegel berichtete, bei einer offiziellen Reise als Bundesverteidigungsminister in dem Hotel St. Francis in San Francisco eine farbige Prostituierte nachts eine Stunde lang auf sein Zimmer genommen. Anschließend sei es zu einem lautstarken Streit zwischen beiden wegen der Bezahlung gekommen. Strauß verklagte den Spiegel , nahm die Klage aber zurück, als das Magazin den Hoteldirektor, dessen Tochter und einen Taxifahrer als Zeugen benannte. Bei einer anderen offiziellen Reise im Jahr 1961 habe Strauß in New York ebenfalls die Liebesdienste einer Dame in Anspruch genommen, so wiederum der Spiegel . Bei der nächsten Kabinettssitzung versuchte Strauß, Bundeskanzler Adenauer in irgendeiner Sache mundtot zu machen. Plötzlich Adenauer: »Herr Strauß, Sie waren in New York. Musste es denn wieder eine Mulattin sein?«
    Bei seinem Amtsantritt als Bundesverteidigungsminister hatte Strauß die Soldaten in einem Tagesbefehl vom 31 . Oktober 1956 zu peinlichst einzuhaltender Disziplin aufgerufen:
    Tut alles, um der Bundeswehr Achtung und Vertrauen bei unserem Volk und im Ausland zu verschaffen. Vermeidet peinlich und sorgfältig jedes Wort und jede Handlung, die diesem Ziel schaden könnte. Wir sind uns gemeinsam unserer Sache bewusst, weil sich unsere Arbeit auf den Grundlagen von Sitte und Recht vollzieht!
    Er selbst aber tat genau das Gegenteil.
    In New York war der Bundesverteidigungsminister Strauß von einem deutschen Diplomaten, dem Wirtschaftsattaché Freudenberger, betreut worden. Dieser war ein Freund von US-Verteidigungsminister Robert McNamara, später war er für den Flick-Konzern tätig. Lange war er ein Vertrauter von Strauß, bis er sich Anfang der 1970 er-Jahre – auch auf Anraten seiner Frau – von Strauß trennte. Er erzählte später seinem Arzt in Burghausen, er habe die undankbare Aufgabe gehabt, Marianne Strauß den Vorfall in New York als bösartige Pressekampagne darzustellen. Tatsächlich aber habe

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