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Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Titel: Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Scherer
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Rick Perry wies zuletzt die Evolutionslehre als »bloße Theorie« zurück und behauptete, dass »täglich mehr Wissenschaftler anzweifeln, der Klimawandel sei von Menschen verursacht«. Tatsächlich sei das Gegenteil richtig, so Krugman. Doch auch Romney, der sich einmal offen wegen des Klimawandels sorgte, beugt sich dem ultrarechten Glaubensdiktat, wenn er als Kandidat nun lieber vorgibt – wie Dinh zur Folter –, er wisse nicht genug darüber. »Nur 21 Prozent der republikanischen Wähler in Iowa«, klagt Krugman zu Beginn der Vorwahlen, »glauben, dass es einen Klimawandel gibt.« Und nur ein Drittel der Parteibasis dort halte die Evolutionslehre für schlüssig. »In einer Zeit weltweiter ernster Herausforderungen, nicht nur wirtschaftlicher und ökologischer Art«, so Krugman, »ist das eine fürchterliche Perspektive.«
    Saubere Kohle und Pizzagemüse
     
    Nach Obamas ersten Monaten im Amt zitierte ein Kinderbuch Briefe, die Schüler dem neuen Präsidenten schrieben. In einem davon stand die Bitte, er möge ein Gesetz erlassen, dass Schokolade ein Gemüse sei. Als ich darüber lachte, wusste ich noch nicht, mit wie viel Erfolg Washingtons Lobbyisten tatsächlich eher die Sprache und damit die Wahrnehmung verändern als die Wirklichkeit. Tiefkühl-Konzerne haben es so geschafft, Pizza auf dem lukrativen Markt für Schulessen in der Gemüserubrik anzusiedeln – wegen ihres Anteils an Tomatensoße. Obamas Versuch, den Schwindel zu stoppen, scheiterte kläglich. Die Lobbyisten argumentierten gemeinsam mit den Schulen, echtes Gemüse käme zu teuer.
    In all den Jahren deprimierte mich das in der Tat am meisten: In der freien Marktwirtschaft hatte ich erwartet, dass sich Qualität durchsetze. Viel öfter aber traf ich auf das Gegenteil. Handwerker können ihr Handwerk nicht mehr. Hormonverseuchtes Billigfleisch lässt auch dessen Konsumenten, vor allem Mädchen, in die Breite wachsen. Eine Jahresgarantie, etwa auf Unterhaltungselektronik, gibt es nur gegen groteske Preisaufschläge. Wenn Banken genug Kunden in den billigeren Online-Sektor gelotst haben, erheben sie dort die gleichen Gebühren wie zuvor. Wer Fragen hat, erwischt niemanden mehr am Telefon. Sobald sich Unternehmen ihre Position am Markt gesichert haben, scheint es, sind ihre Kunden nicht mehr Könige, sondern nur noch artige Konsumenten oder Störfaktoren.
    So also geht es auf der Endstufe der westlichen Entwicklung zu, dachte ich oft – zumal ich bei Heimatbesuchen in Deutschland bereits den gleichen Trends begegnete. Als ich dort zuletzt ein Mietauto am Flughafen abholte, an einem verschneiten Tag im Januar, erklärte mir der Herr am Kundenschalter, für Winterreifen müsse ich extra bezahlen. Die seien zwar gesetzlich vorgeschrieben, aber im Preis noch nicht enthalten. Mein Einwand, dass er nach dieser Logik auch für Scheinwerfer und Bremsen Zuschläge verlangen könne, beeindruckte ihn nicht. Ob ich den Wagen nun wolle oder nicht, fragte er lässig. Meine Kritik notierte er zwar, eine Antwort aber erhielt ich nie.
    »Ich habe oft das Gefühl«, gab ich in Hamburg einmal zu Protokoll, »als schaue ich in Amerika ein wenig in unsere Zukunft. Nehmen Sie die groteske Kluft zwischen Arm und Reich, die wird auch bei uns größer. Oder die Art, wie hier die Medien berichten, wie strohfeurig und allein auf Dramatik gebürstet, bis in die Nachrichten hinein.«
    Tatsächlich haben die professionellen Wortakrobaten in den USA den deutschen noch immer viel voraus. Nicht nur der millionenteure Wahlkampf zeugt davon. Als die US-Umweltbehörde den Energiesektor unter Druck setzte und Kohlekraftwerke wegen ihrer Schadstoffmengen in Verruf gerieten, startete die Branche eine PR-Offensive, in der nur noch von »clean coal« die Rede war – »sauberer Kohle«. Dabei fielen deren Kohleminen in den letzten Jahren vor allem durch Verstöße gegen Naturschutz- und Sicherheitsauflagen auf, die zu Dutzenden von Todesfällen führten.
    Warum auch sollte sich der kommerzielle Markt anders verhalten als die Politik, die verbotene Foltermethoden flugs in erlaubte »Verhörtechniken« umtaufte und das Solidarprinzip europäischer Krankenkassen in einen Sündenfall ins Höllenreich des Kommunismus? Selbst die obersten Richter Amerikas erwiesen sich schon als Deutungskünstler, indem sie auch milliardenschwere Konzerne als Wahlkampfspender mit gewöhnlichen »Personen« gleichsetzten.
    »Dass ein Konzern eine Person ist«, spottete im Internet ein Zyniker, »glaube ich

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