Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Titel: Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Scherer
Vom Netzwerk:
nicht gelingt, den Behörden ein Feuer zu melden.
    Zurück in Washington, schildert uns ein langjähriger ZDF-Kollege – ein bekennender Amerikafreund zudem – auf seiner Abschiedsfeier, dass ihn seine gesamte Korrespondentenzeit hindurch ein ganz anderes Problem begleitete. Über Jahre hin habe er ein nicht unwesentliches amtliches Kürzel ändern wollen – einen Behördeneintrag, wonach er eine Frau sei. Er schaffte es nicht.

3    Kaufe jetzt, zahle nie
Zwischen Cash und Crash
     
    »Ich höre euch!« war der Satz, der George W. Bush als Präsident die meiste Anerkennung einbrachte. Da stand er auf den Trümmern des ehemaligen World Trade Centers in New York, und das verunsicherte Volk hing an seinen Lippen. Hoffend, jemand möge es nun führen.
    »Ich verstehe eure Sorgen«, gibt sich der Noch-Amtsinhaber Jahre später, im Sommer 2007, erneut als väterlicher Schutzherr – um Amerikas Familien, die zu Beginn der Immobilienkrise unter ihrer Hypothekenlast verzweifeln, Steuernachlässe und Bürgschaften zuzusagen.
    »So gewährleisten wir, dass möglichst viele in ihren Häusern bleiben können«, spricht er zur Nation. Die Wirtschaft sei stark genug, um zu verhindern, dass die Turbulenzen vom Häusermarkt auf andere Branchen übergriffen. Allerdings sei es nicht Aufgabe Washingtons, Spekulanten aus der Patsche zu helfen, die sich blindlings oder bewusst auf hochriskante Geschäfte eingelassen hätten. Noch klingt es so, als müsse sich nichts wirklich ändern. Doch bald wird klar, dass sich nicht nur ein paar kühne Draufgänger verkalkuliert haben, sondern nahezu der ganze Finanzsektor, wenn nicht das ganze Land.
    Amerika zockte. Dass Häuserpreise ewig steigen würden, hielten nicht nur die Käufer für garantiert, sondern auch Makler, Banker und Politiker. Auch wer sich eigentlich keine Immobilie leisten konnte, durfte sich zum Hausbesitzer aufschwingen. Bezahlt wurde die Rechnung quasi aus dem Wertzuwachs. Es gab nicht einmal einen Grund, noch mit dem Bau des Pools zu warten. »Buy now, pay later« – alles sollte möglich sein.
    Investmentbanker berauschten sich an schwindelerregenden Gehältern, selbst wenn sie gerade erst die Uni hinter sich gelassen hatten, und Washington wähnte sich auf bestem Wege, jedem Amerikaner zu seinen eigenen vier Wänden zu verhelfen. Zwar ahnten manche, dass mit Luftbuchungen allein dem Markt irgendwann die Substanz ausgehen würde. Aber bis dahin lohnte es sich mitzumachen. Und damit es nicht so auffiel, mischten die Geldhäuser kranke Kredite unter gesunde und designten daraus Finanzportfolios, die sich weltweit verkauften. US-»Subprime«-Kredite, Finanzprodukte »minderer Güte« also, waren gefragt.
    Als der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück die halbjährlichen Weltbank-Tagungen besucht, empört er sich anfangs noch vor unserer Kamera über eine Krise, »die uns die Amerikaner vor die Füße kippten«. Doch bald wird er verhaltener – als feststeht, dass auch und gerade deutsche Landesbanken mit zwielichtigen US-Anteilen spekulierten, als habe sie zuallererst die Sorge umgetrieben, etwas zu verpassen. Tagtäglich erfahren nun auch sie aus Presse und Fernsehnachrichten, auf welch sumpfigem Untergrund sie bauten.
    Sieben Häuser, null Dollar
     
    Wenn Jacob Swodeck, den wir in diesen Tagen nahe Los Angeles begleiten, an einer Haustür klingelt, ist für seine Klienten das meiste schon verloren. Seine Firma ist spezialisiert auf Immobiliennotverkäufe. Im lichtoffenen Patio-Neubau am Rand der Megacity erwartet ihn heute eine junge Frau. Sie ist im achten Monat schwanger, eine kleine Tochter umklammert ihre Beine, der Lebensgefährte hält sich eher im Hintergrund. Ihren Job in der Werbebranche hat sie vor Monaten verloren. Das Schuldenbarometer zeigt 320 000 Dollar an, Tendenz steigend. In fünf Tagen ist die Pfändung anberaumt. Sie ist bankrott. »Lange habe ich es nicht wahrhaben wollen«, gesteht sie. »Aber jetzt habe ich es akzeptiert.«
    Swodecks Team wird nun mit den Banken verhandeln, um die Zwangsversteigerung noch abzuwenden. Die Firma hat viel zu tun, seit aus Kaliforniens Hypothekenblase die Luft entweicht wie aus einem schnurrenden Ballon. Das Gott- und Marktvertrauen schlägt nun fast überall in Angst um. Den Banken dämmert, wie viele Bomben in ihren Bilanzen ticken.
    »Immerhin kann ich den Leuten sagen, dass sie nicht die Einzigen sind, die mit dem Problem kämpfen«, tröstet Swodeck seine Klientin. »Es erwischt jeden Tag mehr

Weitere Kostenlose Bücher