Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
oder nicht. Ihre Hoffnung aber, dass der Erfolg Obama nun genauso stärken würde, wie eine Niederlage ihn geschwächt hätte, erfüllt sich nicht.
Indes übersehen in jenen Wochen viele, dass der recht durchsichtige Anti-Obama-Kurs die Republikaner nicht so sehr vereint, wie sie es vorgeben. Der konservative Publizist George Will erläutert uns dazu die Hintergründe. »Die Republikaner hatten schon vor der Präsidentschaftswahl Probleme mit höher gebildeten Schichten, Menschen mit College-Abschluss oder mehr«, sagt er. »Hier liegt die Gefahr durch eine Galionsfigur wie Sarah Palin. Sie verprellt diese Wähler und erschwert es der Partei, sie zu erreichen.«
Auch George W. Bushs früherer Redenschreiber, der Historiker David Frum, traut dem öffentlichen Tea-Party- und Palin-Wirbel nicht und sieht seine Partei auf dem falschen Weg. »Sarah Palin hat seit ihrer Nominierung als mögliche Vizepräsidentin in Wirklichkeit mehr und schneller ihren politischen Kredit verloren als jede andere Führungsfigur zuvor, vor allem bei Amerikas Frauen«, konstatiert er. »Selbst jede zweite unserer eigenen Wählerinnen gibt an, Palin tauge nicht als Präsidentin.«
Zwar freut sich auch George Will über die Tea Party als »aktive, energische Bewegung«, die sich für klassisch republikanische Themen wie »weniger Staat und weniger Regulierung« stark mache. Konservative wie er trügen das förmlich in ihren Genen, schwärmt er. Dennoch fehlt ihm bei den Republikanern Substanz. Gerade das Phänomen Palin sei dafür ein Symptom. »Sie ist das, was einer Partei passiert, wenn sie ein Vakuum hat«, analysiert er nüchtern. »Sie strömt förmlich in dieses Vakuum hinein. Sie ist telegen, für manche aufregend. Aber sie wird nie Präsidentin.«
So sehr Sarah Palin Amerikas Rechte mobilisiert hat, die große Mehrheit findet sie eher peinlich. Dazu trägt sie freilich immer wieder selbst bei. Auf die Interviewfrage nach ihrer außenpolitischen Kompetenz fällt ihr als Antwort lediglich ein, dass es in ihrem Bundesstaat Alaska Orte gebe, von denen aus man Russland sehen könne. McCain-Vertraute beklagen später, Palin habe Afrika nicht für einen Kontinent, sondern für ein Land gehalten. Und ausgerechnet nachdem sie Obama genüsslich als »Charismatiker, der vom Teleprompter abliest« verspottet hat, wird sie selbst dabei erwischt, wie sie bei einem Fernsehgespräch ihre vorbereiteten Antworten heimlich von der Hand abliest. Als ihr Gegenüber wissen möchte, welche drei Probleme sie als Präsidentin zuerst angehen würde, beginnt sie, wie ihre Stichworte es vorsehen: »Wir müssen die Ausgaben kürzen und nicht nur ein paar Haushaltsposten einfrieren.« Punkt zwei entnimmt sie dann schon stockend ihrer Innenhand: »Und Energieprojekte fördern.«
Weil auch den Kameras das nicht entgeht, verbreiten US-Medien per Ausschnittvergrößerung, was noch alles dort stand. »Energie« und »Steuern senken« hieß es da. Ein weiteres Stichwort hatte Palin durchgestrichen. Stattdessen ist zu lesen: »Stimmung heben.«
Nimmt man das darauffolgende Pressebriefing im Weißen Haus als Maßstab, ist ihr Letzteres durchaus gelungen. Am nächsten Tag erscheint dort ein gut gelaunter Regierungssprecher Robert Gibbs, um die Palin’sche Steilvorlage einzuköpfen: Bevor er zu den Themen des Arbeitstages komme, wolle er noch kurz erwähnen, was er sich am Morgen Wesentliches aufgeschrieben habe, grinst er und hält den Korrespondenten seine Handfläche entgegen. »Eier, Milch und Brot«, liest er ab. »Eines habe ich durchgestrichen, aber hinzugefügt, um es nicht zu vergessen: Hoffnung und Wandel.«
Palins Anhänger schweißt das nur noch enger zusammen. Wer nun zu ihren Auftritten erscheint, reckt ihrem Rednerpult solidarisch eine Hand entgegen, voller Stichworte in Krakelschrift. Um ihr wirklich gerecht zu werden, hätte ihr Kritiker George Will zwei weitere Eigenschaften zuschreiben müssen: heiter und unterhaltsam. So richtig Obama mit seiner Unterstellung gelegen haben mag, dass der weiße Mittelwesten verbittert über seinen ökonomischen Abstieg sei: Palin hat von dieser Verbitterung gezehrt, ohne sie selbst auszustrahlen. Denn kaum jemand kopierte so schnell Obamas Vorwahlstrategie wie sie. Auch er hatte nie negativ wirken dürfen, nie wie der nur verbissene Vorkämpfer einer Minderheit.
Zugleich lernte Palins Tea Party von Obamas Kampagnenmanagern, wie man Online-Netzwerke knüpft, um schnell und millionenfach Anhänger zu mobilisieren.
Weitere Kostenlose Bücher