Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
Pleite eine Finanzkrise auslösen würde. »Too big to fail« – zu groß, um zu scheitern – dürfe künftig für keine Bank mehr gelten. Zudem soll eine Verbraucherschutzbehörde die Interessen der Bankkunden vertreten.
Amerikas Wutbürger, die schon gegen die Gesundheitsreform rebellierten, zeigen sich auch dafür nicht eben aufgeschlossen. Im Gegenteil: Die Antiregierungsparolen der Tea Party prägen vor den ersten Kongress-Zwischenwahlen Obamas Präsidentschaft mehr als alles andere. Für einen Hintergrundbericht fliegen wir nach South Dakota. Denn dort nehmen gleich zwei Kandidatinnen an Sarah Palin Maß: Die demokratische Amtsinhaberin und ihre republikanische Rivalin, die beide darum wetteifern, wer politisch weiter vom Präsidenten und von Washington entfernt ist.
Die warme Oktobersonne glitzert in den Pfützen der Schotterwege zwischen riesigen Feldern und einsamen Farmen. Kein Berg, kein Wald versperrt die Weitsicht. Nur ein paar Mais-Areale haben die Anwohner noch mannshoch stehen lassen. Nicht weil sie mit der Ernte in Verzug sind, sondern weil in South Dakota der Höhepunkt der Jagdsaison bevorsteht: das Fasanen-Schießen. Aus halb Amerika kommen in diesen Wochen Gäste an. Manche Mitreisende hielten wir wegen ihrer Flachkoffer am Regionalflughafen noch für Musiker mit E-Gitarren. Bis sie ihre neuesten Jagdwaffen verglichen und uns ihre Outdoor-Kleidung auffiel.
Nun reihen sie sich am einen Ende eines Maisfelds mit angelegter Flinte auf, während die Treiber vom anderen Ende her lautstark hindurchmarschieren, um die Wildvögel aus dem Gestrüpp zu scheuchen – genau auf die Schützen zu. Dann fallen ein, zwei paffende Schüsse, ein Wölkchen Federn stobt am Himmel auseinander, bis der plumpe Vogelkörper auf dem freien Feld aufschlägt, während der brave Hund schon in die Richtung eilt.
»Für uns ist nur Weihnachten schöner«, sagen die Männer um Jagdleiter Mark Kuipers. Sie sind keine verbohrten Waffen-Fetischisten, die hier blind um sich ballern würden. Sie sind Traditionalisten, Naturfreunde, die meisten Konservative, manche auch Wechselwähler. Einmal jährlich treffen sie sich, füllen die Sporthalle, heißen die ortsfremden Besucher willkommen, essen zusammen und verabreden sich für den nächsten Morgen an einer der Mais-Inseln im Umland. Dem strukturschwachen Bundesstaat füllte das jährliche Geflügelschießen lange die Kassen. Fasanen gibt es genug. »Früher kamen hier Gruppen aus Alabama an, Betriebsausflüge, es war der Bonus des Chefs an seine Mitarbeiter«, sagt uns Kuipers. »Aber seit der Wirtschaftskrise sind es meist nur noch eine Handvoll Leute. Wer seinen Job verloren hat, kommt gar nicht mehr. Die Menschen sparen, wo es geht.«
Weil er selbst Geschäftsmann ist, kennt er solche Zwänge. Im nächsten Ort betreibt er den »Hardware Store«. Gerade auf dem Land ist das mehr, als die unzulängliche Übersetzung »Eisen- und Haushaltswaren-Laden« ahnen lässt – nicht nur, weil hier auch Jagdgewehre und Munition über den Tresen gehen. Er ist Treffpunkt, Diskussionsforum und Klatschbörse zugleich. Wenn hier über die Politik in Washington geredet wird, ist immer Jagdsaison.
»Es waren die Banken, die uns die Misere eingebrockt haben«, meint ein Kunde, als wir in Kuipers Laden die Kamera aufgebaut haben. Zwei weitere geben ihm recht. Alle scheinen sich in ihrem Grundgroll einig.
»Entschuldigung«, werfe ich ein und gebe mich als Hauptstadt-Reporter zu erkennen, »wenn Obama den Finanzsektor wieder mehr regulieren möchte, heißt es aber, das sei zu viel Staat. Was kann er denn dann tun?«
»Regeln für die Banken sind ja schön und gut«, meint eine Frau. »Trotzdem sorgen wir uns, dass sich die Regierung immer mehr in alles einmischt. In den letzten Jahren hat sie schon in die Autofirmen und in die Krankenversicherung hineinregiert. Es kommt einem ja vor, als hätte sie überall die Finger drin.«
Der Nebenmann nickt. »Vor allem über die Gesundheitsreform reden die Leute. Sie verstehen nicht, wie sie funktionieren soll.«
»Aber damit ist er angetreten und gewann klar die Wahl«, wende ich ein.
»Nicht bei uns«, sagen sie da.
»Was ist denn Ihnen am wichtigsten?«, frage ich weiter. »Die Staatsschulden zu senken, die Arbeitslosigkeit oder die Steuern, wie es die Republikaner fordern? Alles zugleich dürfte kaum gehen.«
»Mir machen die Schulden Angst, all die Billionen, die es inzwischen sind«, sagt Kuipers. »Als Unternehmer könnte ich nie so
Weitere Kostenlose Bücher