Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
zu«, sorgt er sich. Auch die Selbstverständlichkeit, mit der durchsichtige Gerüchte in Amerikas Nachrichtenkanälen inzwischen Karriere machen, beklagt er. Gerade war Obama wieder wegen des Vorwurfs unter Druck geraten, er sei »insgeheim« ein Moslem und kein Christ, wie er behaupte. Selbst die seriöse Washington Post bat da im Anschluss an die Zeitungsmeldung zur Online-Diskussion über Obamas Glaube.
»Kontroversen verkaufen sich nun mal besser als Sachinformationen. Im Internet gilt das erst recht, und als Problem drängt es damit noch mehr«, sagt Sesno. »Die Fähigkeit der Medienmacher, einmal stopp zu sagen und nachzudenken, was eigentlich noch Information ist und was nicht, ist förmlich erdrückt worden durch all den Wettbewerb und all die Meinungsmacher, die von außen drängen.« Wenn Nachrichten aber durch bloße Stimmungsmache ersetzt würden, fehle dem Publikum die Quelle, um sich zuvor mit Fakten zu versorgen. »Die Verantwortung hat sich sozusagen aus der Redaktion ins Wohnzimmer verlagert. Nun müssen die Zuschauer selbst entscheiden, was Information ist und was Meinung oder gar nur Lärm.«
Doch auch Altvordere der Republikaner nehmen die Grenzverschiebung gern in Kauf, solange sie Obama schadet. Als Umfragen belegen, dass immer mehr Amerikaner die Religionsgerüchte ernst nehmen, fragt ein NBC-Moderator im Sonntagsinterview den Senats-Minderheitenführer Mitch McConnell: »Warum zweifeln immer mehr Amerikaner an Obamas Konfession? Wir wissen alle, dass er kein Moslem ist.«
Doch statt klarzustellen, dass derlei Vorwürfe Unfug sind, und damit Politik von Klatsch zu trennen, antwortet McConnell nur: »Ich denke, was die meisten Amerikaner anzweifeln, ist Obamas Glaube an seine Wirtschaftspolitik.«
Der New Yorker Newsweek -Kollege Jonathan Alter erklärt uns danach, dass McConnells Reaktion in Fachkreisen als »Hundepfeife« gelte. »Statt die Tea Party zum Maßhalten aufzufordern, hat er ihr so im Gegenteil signalisiert, dass gegen Obama jeder Vorwurf erlaubt ist«, sagt er. »Das war unverantwortlich.«
»Nicht ausgereift«
Ausgerechnet der einstige Wahlkampfstratege George W. Bushs, Karl Rove, der Palins Tea Party nach Kräften unterstützt, ist der Erste, dem wegen des Substanzverlustes der Partei der Kragen platzt. Im Haussender Fox News sorgt er sich erstaunlich offen um den Geisteszustand der republikanischen Eliten. Grund ist die interne Kampfkandidatur der schillernden Tea-Party-Kandidatin Christine O’Donnell gegen den weit aussichtsreicheren Altkonservativen Mike Castle um den Sitz des Bundesstaates Delaware im US-Senat. O’Donnell ist bis dahin eher dadurch aufgefallen, dass sie Masturbation als Sünde verdammte, ihre Schulden nicht bezahlte und Hexenkult betrieb. Doch seit Palin sie mit Tea-Party-Weihen gesegnet hat, erstürmt ihre rechte Fangemeinde mit messbarem Erfolg den Mini-Staat. »Es kommt eine Welle auf Delaware zu«, verspricht ihnen O’Donnell freudig. »Wir werden diese Welle reiten. Mein Gegner aber wird darin ertrinken.«
Als die Partei O’Donnell tatsächlich nominiert, beklagt Rove unverblümt, dass seine Parteifreundin »Verrücktes« von sich gebe. Wer solche Leute aufstelle, werde den Senat nie zurückgewinnen. In einem Presseinterview formuliert er vielsagend, die Tea Party sei »intellektuell noch nicht ganz ausgereift«.
Doch da ist der Palin’sche Geist, an dem die Parteirechte sich so gern berauscht, längst aus der Flasche. Nach dem Prototypen Palin und dem Kurzzeitmodell O’Donnell wird er Amerika nunmehr in dichter Folge Ableger bescheren, die bald auch als Präsidentschaftskandidaten wie Wunderkerzen abbrennen – effektvoll zunächst, aber erkennbar ohne lange Leuchtkraft. Derweil zeigen sich die Tea-Party-Wortführer von Roves Standpauke wenig beeindruckt. Auch ihren Senatskandidaten in Alaska, Joe Miller, stützen sie gegen jede Kritik – nachdem er sich, frei von Sachkenntnis, mit der Forderung blamiert hat, die Grenze zu Mexiko »durch eine Mauer gegen Einwanderer« zu sichern, »wie es schließlich auch Ostdeutschland hinbekommen hat«.
Jagdszenen in Sioux Falls
Unterdessen drückt Obama mit der Finanzreform sein nächstes Gesetzeswerk durch den US-Kongress. Großbanken sollen künftig wieder das Kundengeschäft vom Investmentbanking trennen, damit die Staatshaftung für Spareinlagen nicht länger auch den Hochrisikobereich abdeckt. Überhaupt soll kein Geldhaus mehr zu einer Größe heranwachsen, die im Falle einer
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