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Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Titel: Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Scherer
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Der Unterschied ist, dass Obama dazu seinerzeit auch ein konkretes politisches Programm bot, wo Palin nur kurzweilig und keck war. Das half ihr zwar in die kommerziellen Medien, die an der Polarisierung gerne mitverdienten. Doch sobald ihr Strohfeuer verbrannt war und der Rauch sich lichtete, war nur noch Obama übrig – und erschien so noch solider als zuvor. Einer, der das früh erkannte, war Bill Clinton, der mitten im Palin-Hype überraschend prophezeite: Obama werde »um Längen« die Wahl gewinnen.
    Doch gerade wer Palins Unzulänglichkeiten kritisiert, muss anerkennen, wie viel sie aus ihrem Potenzial gemacht hat. Sie wurde Millionärin. Sie bestimmte lange, selbst als sie gar kein Amt mehr innehatte, die Tonlage des rechten Lagers. Und sie scharte selbstbewusste, lautstarke Anhänger um sich, die so den Eindruck weckten, sie repräsentierten Amerika mehr als alle anderen. Jeder Fehler, den ihr die etablierten Medien nachwiesen, machte ihre Fans nur trotziger. Denn ihr fehlbares Idol war ihnen somit nur noch ähnlicher, schien fest im Volk verwurzelt, mithin eine von ihnen.
    News, Lärm und Hundepfeifen
     
    Tatsächlich ist Palins Erfolg ohne Amerikas Medienlandschaft nicht zu erklären. Denn wer in den US-Kabel-Networks täglich die Nachrichten verfolgt, wähnt sich mitunter wie in einer Endlos-Talkshow. Sobald harte News die dicht getakteten 24-Stunden-Strecken nicht mehr füllen, folgen sie nur noch Unterhaltungsregeln. Wer polarisiert, belebt die Sendung. Wer Nebensätze braucht, um seine Position darzulegen, gilt als blass. Keine Politsendung ohne den beiden Lagern zugeordnete Experten, deren Analyse schon abzusehen ist, bevor sie überhaupt beginnt. Amerikas Spaltung, so erscheint es mir Jahr um Jahr mehr, ist nicht das Ergebnis eines Diskurses, sondern der Ausgangspunkt.
    Dazu kommt eine neue Marktdynamik, seit sich mit Fox News ein Sender auf dem Kabelmarkt behauptet, der nie wirklich den Anspruch hatte, Fakten und Meinungen zu trennen und journalistisch wenigstens halbwegs ausgewogen zu berichten. Stattdessen liefert er dem rechten Publikum sogar beim News-Konsum allein die Weltsicht, die es bestätigt sehen will. Andere Kanäle wie MSNBC reagieren darauf mit ähnlichen Meinungsshows, nur eben von links. Die Ware Information droht so mehr und mehr zum beliebig gestaltbaren Konsumentengut zu werden, je nach Geschmack des Zuschauersegments.
    Im Sommer 2010 geht Fox News freilich noch weiter – und lässt seinen Starmoderator Glenn Beck den Gipfel des Polarisierungs-Entertainments stürmen. Der Fernsehmann, der Obamas Gesundheitsreform schon mal mit dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbour gleichsetzt und dem Präsidenten unterstellt, er hege »im Grunde seines Herzens« einen »Rassismus gegen Weiße«, ruft seine Zuschauer erstmals zu einer Massenkundgebung in Washington auf, um, so wörtlich, »Amerikas Ehre wiederherzustellen«. Damit schafft sich der Sender die Ereignisse gleich selbst, über die er dann als News berichtet.
    »Wir wussten lange gar nicht, was wir euch hier sagen sollten«, kokettiert der Medienprofi nun zugleich von der realen Bühne und im Live-Programm des Senders. »Aber dann ging ich auf die Knie und betete. ›Gott, ich bin nicht klug genug!‹ Da sagte mir Gott: ›Du hast alles. Du musst es nur zusammenfügen.‹« Das tut er denn auch – indem er Gastrednerin Sarah Palin auf die Bühne bittet, die inzwischen ebenfalls bei Fox News unter Vertrag steht. »Macht diesen Tag zum Wendepunkt«, fordert sie die Menge auf, »ihr seid doch alle Amerikaner.«
    Rein zufällig sei sein Kundgebungstermin auf den Gedenktag für den schwarzen Nobelpreisträger Martin Luther King gefallen, hat Organisator Beck zuvor beteuert, obwohl ihm das kaum einer abnahm. Das brachte ihm weitere Schlagzeilen mit Werbeeffekt. So sammelten sich vor dem Lincoln-Denkmal, wo King einst seine »Ich habe einen Traum«-Rede hielt, Beck-Freunde statt Bürgerrechtler. Tatsächlich lassen auch die Teilnehmer kaum Zweifel daran, was sie als Botschaft der Kundgebung verstehen. Fast jeder, den wir fragen, wann denn Amerikas Ehre seiner Ansicht nach verloren ging, antwortet: »Mit Obamas Wahl.«
    Medienprofessor Frank Sesno von der George Washington University, der bei CNN lange selbst als Journalist auf Sendung war, sieht mit Becks Auftritt eine neue Grenze überschritten. »Dass ein Nachrichtenmann und Kommentator zugleich als politischer Mobilisierer und Organisator aktiv wird, ließ die Branche bisher nicht

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