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Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Titel: Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Scherer
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verboten hatte. In Deutschland wäre daraufhin allenfalls die Frage aufgekommen, ob ein solcher Schritt nicht hätte früher kommen müssen. Hier hörte ich dagegen Bürger schimpfen: »Bald verbietet die Regierung uns auch noch das Essen.«
    Rückschlag von rechts
     
    Im November 2010 gewinnen die Republikaner bei den Midterm-Parlamentswahlen erdrutschartig das Repräsentantenhaus zurück. Über 100 neue Abgeordnete, darunter viele von der Tea Party, ziehen dort ein. Kristi Noem aus South Dakota zählt dazu. Nun sind sie das, was ihre Unterstützer eben noch als Ursache allen Übels benannt haben: Politiker in Washington.
    Ausgerechnet Obamas größte Triumphe bescheren ihm nach zwei Jahren Amtszeit eine krachende Niederlage: die Sanierung der maroden Autokonzerne; das Abwenden einer anhaltenden Rezession, wenn nicht gar einer Depression; die Rettung der Banken und die Finanzreform sowie das historische Gesundheitsgesetz, an dem so viele vor ihm scheiterten. Dabei hatte er die Krise geerbt, und die Bankenrettung hatten auch Bushs und Boehners Republikaner mitgetragen. Doch wer wollte das nun noch wissen?
    »Wir sind die Patrioten, wir geben Amerika die Hoffnung zurück«, rühmt sich Boehner stattdessen. »Wir sind, wie die Wählermehrheit, all die Milliarden-Initiativen leid. Und auch, dass sich die Regierung in alles einmischt. Das zu ändern, dafür sind Wahlen da.«
    Brookings-Veteran Stephen Hess spricht von bitterer Ironie. Kaum ein Präsident habe so rasch so viele Großgesetze auf den Weg gebracht. In Wahrheit seien Obama und auch der Kongress bemerkenswert erfolgreich gewesen. Auch James Hohmann vom Branchendienst Politico findet, dass Obama ein rekordträchtiges Arbeitspensum vorzuweisen habe. »Trotzdem scheinen viele nicht zu wissen, was sie von ihm halten sollen«, sagt er uns. »Sein Problem ist, dass er aus der Sicht der Linken zu pragmatisch ist und nicht so liberal, wie viele sich erhofft hatten, während die Konservativen in ihm weiter einen Sozialisten sehen.«
    Auf der Straße hören wir Ähnliches. »Sein Wirtschaftsprogramm funktioniert nicht, wir haben zu wenig Wachstum, die Arbeitslosenrate ist noch höher als zuvor«, gehen ehemalige Obama-Wähler auf Distanz. »Wandel braucht Zeit, wir sollten Obama eine Chance geben«, widersprechen andere.
    Wie opportunistisch die Antiregierungskritik vielerorts ist, rechnet die New York Times einmal am Beispiel eines Ortes in Minnesota vor. Die Reporter zitieren zunächst Anhänger der Tea Party, die ihrem Ärger darüber Luft machen, dass sich zu viele Amerikaner vom Staat durchfüttern ließen, mithin vom Steuerzahler. Danach ziehen sie mit ihnen eine ehrliche Bilanz. So zeigt sich, dass ein jeder selbst mehr Regierungsleistungen in Anspruch nimmt und gutheißt als er ahnt, von Steuererleichterungen für den Mittelstand über freies Schulessen der Kinder bis zu den Kosten für die Hüftoperationen der alten Mutter, die von der Seniorenkasse Medicare erstattet wird.
    »Die Wirtschaftslage hat die Amerikaner verändert. Sie fühlen sich unwohl, sie sind sprunghaft und sie haben Angst«, beschreibt Hess die Stimmung im Land, so wie sie auch schon der Lokalreporter in South Dakota sah. »Wenn wir noch eine Arbeitslosenquote von sechs oder sieben Prozent hätten, Obamas Popularität wäre ungebrochen. Aber wenn es über neun sind, ohne die Aussicht, dass es bald besser wird – diesen Präsidenten gibt es nicht, der das überlebt und dabei noch populär bleibt.« Obamas Pressekonferenz zum Wahlergebnis zieht sich denn auch in die Länge, weil er seine Politik weiter rechtfertigt. Die Pressevertreter aber wollen einen demütigen Präsidenten zitieren, der Fehler einräumt, wie es sich nach einer Niederlage ziemt. Erst spät scheint er dazu bereit: »Ich werde einen besseren Job machen müssen«, sagt er – nicht ohne nachzuschieben, dass dies für alle anderen Beteiligten ebenso gelte. Dennoch, viele Menschen seien wegen der allzu langsamen wirtschaftlichen Erholung frustriert. Dafür übernehme er persönlich die Verantwortung.
    Jackson Janes von der Johns-Hopkins-Universität prophezeit nunmehr ein Machtdreieck. Da die Demokraten ihre Senatsmehrheit noch eben verteidigen konnten, werde sich Obama nun vermutlich öfter als Vermittler zwischen beiden Kammern versuchen. »Zudem bleibt ihm immer noch die Möglichkeit, unliebsame Vorlagen einfach nicht zu unterschreiben. Das ist keine schwache Position«, sagt er. »Meine Sorge ist aber, dass es den

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